Wie die Regierung die Demokratie beschädigt
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Im Maschinenraum: Unter der Kuppel des Reichstages betrachten Besucher den Ausblick. Bild: Picture-Alliance
Alterspräsidentschaft, plötzlich mehr Geld für Parteien und eine fehlende Konfrontation mit der Opposition: Jüngste Entscheidungen der großen Koalition erodieren unsere Demokratie. Ein Jurist erklärt in einem Gastbeitrag, wie das passieren konnte.
Demokratien sterben heutzutage nicht laut, sondern leise. Sie enden nicht mit einem großen Knall durch Putsch oder Revolution, sondern erodieren langsam. Mit dieser These machten im vergangenen Jahr die amerikanischen Politologen Steven Levitsky und Daniel Ziblatt Furore. Das besorgte Publikum dachte dabei vor allem an die Vereinigten Staaten Donald Trumps oder das Abgleiten Polens und Ungarns in einen wachsenden Autoritarismus, in Deutschland an eine sich zunehmend nach rechts hin radikalisierende AfD. Dabei geriet eine wichtige Beobachtung von Levitsky und Ziblatt aus dem Blick. Die schleichende Erosion der Demokratie geht damit einher, dass demokratische politische Eliten elementare Normen und informelle Regeln über die Grundlagen der politischen Auseinandersetzung und des demokratischen Machterwerbs zerstören und ihre machtpolitische Zurückhaltung im Hinblick auf diese Regeln aufgeben.
Diese schleichende Zerstörung findet naturgemäß weniger öffentliche Aufmerksamkeit als die gesetzliche Zwangspensionierung von Richtern in Polen oder die Ausrufung des Notstands in Amerika. Sie geschieht nicht vor großem Publikum, sondern im Maschinenraum der Macht. In Deutschland ist die regierende große Koalition seit dem Sommer 2017 für eine besorgniserregende Häufung derartiger sorgloser Beseitigungen elementarer demokratischer Normen verantwortlich. Ihr Umgang mit der Frage des Alterspräsidenten des Deutschen Bundestages, der Parteienfinanzierung, der Befragung der Bundesregierung und schließlich dem Wahlrecht bietet bereits heute den Stoff für eine Moritat: über die kurzsichtige Zerstörung elementarer Regeln des demokratischen und parlamentarischen Machtwettbewerbs.
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