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Falschnachrichten auf Facebook : Wie die Fake-News-Suche zum Big Business wird

Bild: AFP

Sie passen auf uns auf: Wer sich bei der Suche nach Hassrede und Falschnachrichten im Netz Facebook als Partner andient, ist fein raus. Doch die Phalanx der Kontrolleure wirft Fragen auf.

          3 Min.

          Die Bemühungen von Facebook und anderen, Hassrede und Falschnachrichten – oder das, was man dafür hält – im Internet zu bekämpfen, nehmen Gestalt an. Sie führen zu einer Formation, die wie ein neuer Berufsstand erscheint. Der vermeintlich hehre Kampf gegen Fake News wird zum Big Business, zum Geschäftsmodell, und bietet mannigfaltige Beschäftigungsmöglichkeiten. Und die Vermessung der Internetnutzer schreitet nicht nur durch die „Lex Facebook“ von Justizminister Heiko Maas voran.

          Michael Hanfeld
          verantwortlicher Redakteur für Feuilleton Online und „Medien“.

          Bei der ARD werden diejenigen, die im Internet zwischen Richtig und Falsch unterscheiden wollen, vom Rundfunkbeitrag finanziert, heißen „Faktenfinder“ und sind der Nachrichtenredaktion in Hamburg angegliedert. Bei Facebook haben die Wahrheits-Checker verschiedene Namen. Deren vorläufige Liste hat der für den „News-Feed“ zuständige Manager Adam Mosseri gestern auf einer Journalismus-Konferenz in Perugia vorgestellt.

          Soros gibt hunderttausend Euro

          Es sind die Organisationen „First Draft“, die EU-Initiative „Klicksafe“, das Journalistenbüro „Correctiv“, der Verein „Deutschland sicher im Netz“ und die weitgehend aus öffentlichen Mitteln finanzierte „Stiftung Digitale Chancen“. In Zusammenarbeit mit ihnen habe man ein „Informations-Tool“ entwickelt, „das es Menschen erleichtern soll, Falschmeldungen als solche zu erkennen“. Den Leitfaden will der Netzwerkkonzern den Nutzern in vierzehn Ländern „ein paar Tage lang ganz oben im Facebook News Feed“ anzeigen.

          Finanziert wird diese Art von Netzaufsicht durch Facebook selbst oder durch Dritte. So hat die Redaktionsgruppe Correctiv von der Stiftung Open Society Foundations des amerikanischen Multimilliardärs George Soros eine Zuwendung von 100 000 Euro erhalten, wie der Branchendienst „turi2“ berichtete. Damit könne man fürs Erste arbeiten und fünf Mitarbeiter beschäftigen, sagte der Correctiv-Gründer David Schraven im Deutschlandfunk.

          Zu diesen fünf gehört unter anderen Karolin Schwarz, die im Internet die Seite „Hoaxmap“ betreibt, die bei Gerüchten oder Berichten zu vermeintlichen Straftaten von Flüchtlingen zu Beiträgen verlinkt, die zumeist darlegen, dass an den fraglichen Angaben nichts dran sei, oder diese zumindest entkräften. Unter anderem sind dies Links zu Informationsangeboten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Im Medienmagazin des Deutschlandfunks „@mediasres“, wiederum berichtet Karolin Schwarz regelmäßig von ihrer „Hoaxmap“. Deren Gegenstück „Einzelfall-Map“ ist ebenfalls als private Initiative entstanden und versammelt Berichte der Polizei und der Presse über Flüchtlingskriminalität. Dafür wird das „Einzelfall-Map“- Team von vermeintlich liberalen Seiten ebenso angefeindet wie die „Hoaxmap“ von rechts. Erste Rechercheergebnisse in Sachen Fake News will Correctiv Mitte dieses Monats vorstellen.

          Dreht das große Fake-News-Rad: Jeff Jarvis.
          Dreht das große Fake-News-Rad: Jeff Jarvis. : Bild: dpa

          Ein ungleich größeres Rad als hiesige Fake-News-Finder dreht der amerikanische Netzautor Jeff Jarvis. Er hat die „News Integrity Initiative“ (NII) ins Leben gerufen, die an die Cuny Graduate School of Journalism in New York andockt, an der Jarvis als Dozent wirkt. Mit einem Startkapital von vierzehn Millionen Dollar will er Fake News erforschen. Das Geld stammt von 25 Unternehmen und Institutionen, darunter Facebook, der Firefox-Entwickler Mozilla, die Stiftung der Anzeigenseite Craigslist, der Anzeigenhändler AppNexus und die PR-Firmen Edelman und Weber Shandwick. Zu den an der „News Integrity Initiative“ beteiligten Forschungsstellen in Deutschland gehören das Hans-Bredow-Institut und die Hamburg Media School.

          Sie wollen an die Daten der Nutzer ran

          Jeff Jarvis will, wie er zur Vorstellung seiner Forschungsfirma schreibt, herausfinden, welche Informationen Nutzer des Internets, also auch die bei Facebook, mit wem warum teilen; wie es zu Falschdarstellungen kommt und von wem sie stammen. Er will Quellen analysieren und ein Instrumentarium anbieten, mit dem Nutzer und Journalisten – Medienhäusern ist Jarvis traditionell skeptisch bis tendenziell feindlich gesonnen – Fake News besser erkennen können. Dafür will Jarvis, das ist der besondere Clou, auf die Daten von Facebook zugreifen. „Es kommt auf das Projekt an“, sagte die zuständige Managerin Campbell Brown dazu im Gespräch mit dem „Zeit“-Redakteur Götz Hamann. Ob es den Facebook-Nutzern unter der Maßgabe, es gehe darum, Falschnachrichten und Hassrede auszukehren, gefallen würde, ausspioniert zu werden?

          Gesetz gegen Hassbotschaften : Wichtiges Signal an Facebook & Co.

          Das Rennen um die Claims bei der Fake-News-Bekämpfung ist jedenfalls eröffnet, und es ist eine bunte Truppe, die sich da auf den Weg macht: der öffentlich-rechtliche Rundfunk, freie Journalisten, Aktivisten, von Facebook und von anderen finanzierte „Forscher“. Ob es sein könnte, dass es ihnen genauso viel oder wenig Mühe bereitet, zwischen Richtig und Falsch, Wahr und Unwahr zu unterscheiden, wie anderen auch? Ob sie gar eigene Interessen verfolgen und eine – auch politische – Agenda haben? Beim Thema Fake News, so viel ist sicher, schließt sich ein illustrer Kreis.

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