Wer der Sprache Gewalt antut
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Demonstranten protestieren im Oktober 2018 in Berlin für Meinungsfreiheit. (Symbolbild) Bild: dpa
Für mich als jemanden, der in der Sowjetunion aufgewachsen ist, ein Déjà-vu: Warum mir das Bemühen, bestimmte Worte zu verbannen, unheimlich ist. Ein Gastbeitrag.
„Beschuldigt mich nicht des Antisemantismus. Einige meiner besten Freunde sind Wörter“, hieß es 1983 in der seinerzeit berühmten Graffiti-Sammlung von Hans Gamber. Etwas Ähnliches hört man heute, aber nun ganz ernst gemeint: „Ich bin kein Sprachpolizist, aber Neger (Kanake, Tunte, Zigeuner, was auch immer), das kann ich nicht aussprechen/dulden/hören, tut mir leid.“
Gut. Und wohin dann mit Carl Einsteins kunsthistorischem Buch „Negerplastik“? Oder mit der berühmten neapolitanischen Porosität von Walter Benjamin: „Ausgeteilt, porös und durchsetzt ist das Privatleben. Was Neapel von allen Großstädten unterscheidet, das hat es mit dem Hottentottenkral gemein“? Wohin mit den drei Zigeunern aus Nikolaus Lenaus gleichnamigem Gedicht? Und mit dem Zigeunerjungen aus der Carmen-Arie? Mit den zehn kleinen Negerlein? Streichen? Durch Sinti-und-Roma-Jungen und Ein-afrikanisches-Dorf-wie-man-es-sich-vor-hundert-Jahren-vorgestellt-hat und Zehn-kleine-Schwarzafrikaner*innen ersetzen?
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