Manspreading : Macht euch breit!
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Der Spreizwinkel beweist es: Das ist, trotz leerer Sitzbank, ein klarer Fall von Manspreading. Bild: mauritius images
Sitzen Männer breitbeinig, ist es normal. Sitzen Frauen breitbeinig, ist das eine Provokation. Was verrät das über die gesellschaftliche Position der Geschlechter?
Das mag jetzt vielleicht etwas überraschend kommen, in der Post-Weinstein/Spacey/Affleck/C.K./-Phase, jedenfalls war 2017 ein gutes Jahr für viele Frauen, für Frauen in Spanien zum Beispiel, zumindest für Frauen in Madrid, naja: für Frauen in Madrid, die Bus fahren. Denn der städtische Verkehrsbetrieb EMT hat im Sommer eines der größeren Alltagsärgernisse aus seinen Bussen verbannt.
Ein kleiner Aufkleber zwischen „Nicht rauchen“ und „Kein Eis essen“ zeigt nun einen Mann, der allen anderen Männern im Bus zeigt, wie sie, por favor, nicht mehr sitzen mögen: breitbeinig. In New York, in San Francisco und in Istanbul ermahnten die Verkehrsbetriebe ebenfalls mit Plakatkampagnen männliche Fahrgäste, ihre Beine nicht zu weit zu spreizen, wirklich nur einen Sitz einzunehmen und anderen Passagieren ebenfalls Beinbreitheit zu lassen, also: das sogenannte Manspreading bleibenzulassen. Das höfliche Japan kämpfte sogar schon in den siebziger Jahren gegen Manspreader, da war das Wort noch gar nicht erfunden.
Wobei mir auch nach intensivster Recherche nicht klar ist, wann Männerbeine als zu weit geöffnet gelten. Macht mich ein Öffnungswinkel von circa 30 Grad, das dürfte meiner bevorzugten Sitzposition entsprechen, zum Manspreader? Oder müsste ich die Beine doch weiter spreizen, sagen wir: sie im 45-Grad-Winkel (60 Grad? 90?) öffnen? Betreibe ich Manspreading, wenn ich in einem leeren Bus manspreade? Oder manspreade ich erst, wenn ich jemandem Platz wegnehme?
Wie weit darf man die Beine spreizen?
Eine Frage immerhin lässt sich ganz einfach beantworten: Warum manspreaden ich (vielleicht) und viele andere Männer (ganz sicher)? Dass es hauptsächlich Männer sind, lässt sich angesichts der täglichen Empirie leider kaum bezweifeln, selbst wenn man einen eher sportlichen Öffnungswinkel von 180 Grad zugrunde legt. Erklärung 1: Geschlechtsteile. Männer spreizen, weil sie ansonsten zwischen ihrer austrainierten Beinmuskulatur den Penis/Hoden/ein anderes Hautstück einklemmen würden. Ein Argument, das verwandt ist mit: Meiner braucht Platz, und zu warm darf er auch nicht sein, wegen Unfruchtbarkeit. Das bringen vor allem sogenannte echte Männer vor, die wissen müssten, dass echte Männer niemals ihre Beine trainieren.
Tatsächlich gibt es aber auch eine wissenschaftliche Version von „Männer brauchen halt mehr Platz“. In einer Studie errechneten Forscher (Männer), dass bei Männern die Schultern im Schnitt 28 Prozent breiter seien als die Hüfte (Frauen: drei Prozent), weshalb sie auch breiter sitzen müssten, um die Balance zu halten und nicht umzukippen. Rückenleidensexperten warnen zudem, dass bei engbeinig sitzenden, breitschultrigen Männern der untere Rücken verkrampfen könne.
Nach Erfahrungen aus einem Selbsttest (breite Schultern: check) kann ich den Experten durchaus zustimmen: Wenn ich die Beine sehr fest zusammenpresse, kontrahieren im Innenschenkel verkümmerte Muskelschnüre; es krampft bis weit den Rücken hinauf. In dieser Position würde ich in der Bahn garantiert nur einen Platz belegen, den aber womöglich sehr lange.
Normale Sitzpositionen sind möglich
Was nervt an Erklärung 1: Sie ist vollkommen hirnrissig. Jedem Mann ohne anatomische Anomalität sollte es gelingen, eine angenehme Sitzposition einzunehmen, die ihn noch nicht des Manspreadings verdächtig macht.