Fürchtet man die kleinen Parteien so sehr?
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Sind das schon mehr als fünf Prozent? Veranstaltung „Pulse of Europe“ auf dem Berliner Gendarmenmarkt im März 2017 Bild: dpa
Die Gleichheit der Wahl gehört zur Demokratie, erklärt der Rechtswissenschaftler Sebastian Roßner. Es ist deshalb nicht einzusehen, warum die Bundesregierung für die Europawahl eine Prozenthürde errichten will.
Wahlen sind der Markt der Politik, auf dem Bürger und Kandidaten zusammenströmen, um politische Zustimmung in politische Macht zu tauschen. Das Wahlrecht reguliert den Zugang zu diesem Markt und legt die Wechselkurse des Tauschs von Wählerstimmen in Mandate fest. Mit großer Zähigkeit kämpfen gegenwärtig weite Teile der deutschen Politik darum, für die Wahlen zum Europaparlament manche Wählerstimmen außer Kurs zu setzen, vermutlich aber noch nicht für die kommende im Mai 2019, sondern erst für 2024. Für die Wahlen der deutschen Abgeordneten zu diesem Parlament soll nämlich, so der Wille der deutschen Regierung, wieder eine rechtliche Sperrklausel eingeführt werden, und zwar auf dem Weg einer europäischen Norm, nicht eines deutschen Gesetzes. Warum dieser Umweg, der außer über Berlin, wo der deutsche Gesetzgeber zustimmen muss, auch noch über Brüssel (Zustimmung des Europäischen Parlaments und des Rates) und über die Hauptstädte aller Mitgliedstaaten führt, deren Zustimmung unerlässlich ist?
Ein Stoppsignal für Sperrklauselpläne kam bislang aus Karlsruhe: Das Bundesverfassungsgericht verwarf im November 2011 die bis dahin geltende fünfprozentige Sperrklausel für die deutschen Wahlen zum Europaparlament. Im Juni 2013 beschloss der Bundestag dennoch trotzig, die Zeichen an der Wand nicht sehen zu wollen, und versah das Europawahlgesetz wieder mit einer Sperrklausel, nun in Höhe von drei Prozent. Schon im Februar des folgenden Jahres entschied das Verfassungsgericht erwartungsgemäß, dass auch diese Regelung verfassungswidrig sei.
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