Verführt und betrogen
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Florian Teichtmeister als Kaiser Franz Joseph in einer Szene aus „Corsage“ Bild: dpa
Florian Teichtmeister ist ein sehr guter Schauspieler. Aber darf man sich seine Filme noch anschauen – jetzt, nach dem Vorwurf der Kinderpornographie? Und möchte man das überhaupt?
Wer sich von den bewegten Bildern verführen und berühren lässt, tut das auf eigene Gefahr. Der Verdacht, dass das Kino die Nerven zerrütte und die Gefühle verwirre, dass es anstachele zu Gewalt, übersteigerter Sinnlichkeit, zum Rauchen, Trinken und anderem gesundheitsschädlichen Unsinn, ist so alt wie das Medium selbst. Als am 28. Dezember 1895 die Brüder Lumière in einem Pariser Café ihren ersten Film vorführten, die Einfahrt eines Zuges in den Bahnhof von La Ciotat, sprangen die Leute von den Tischen auf, weil sie fürchteten, der Zug werde sie überrollen. Und weil sich die Technik seither verfeinert hat, ist alles nur noch schlimmer geworden. Das liegt nicht daran, dass Filme propagierten, was sie zeigen. Es liegt vielmehr daran, dass sie, wenn sie nicht stocklangweilig oder sehr abstrakt und intellektuell sein wollen, auf Zuschauer zielen, die in der Dunkelheit ihre Deckung aufgeben. Und sich einlassen auf das Spiel der Identifikation, des Begehrens und der Verführung, das meistens ein Spiel mit ungewissem Ausgang ist.
Wenn aber das Medium selbst die Gefahr bedeutet – was ist dann so besonders gefährlich an Fernsehspielen wie „Wiener Blut“, „Die Muse des Mörders“ oder der Serie „Die Toten von Salzburg“, welche das österreichische Fernsehen jetzt anscheinend aus den Mediatheken entfernen und nie wieder senden will? Was ist so gefährlich an „Corsage“, Marie Kreutzers sensiblem Filmdrama, das von der Mittlebenskrise der Kaiserin Elisabeth erzählt, jener Sisi, die sich, bald nach ihrem vierzigsten Geburtstag, in der Spiegelunendlichkeit des Begehrens verliert: Wer sieht sie an, und was sieht sie, wenn sie ihr Bild in den Blicken der anderen zu betrachten versucht?
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