Irren ist menschlich
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Bild: Kat Menschik
Warum ein gefährliches Virus die Ausbreitung wahnhafter Verschwörungstheorien begünstigt und wie wir das verstehen können. Ein Gastbeitrag.
Wo Gefahr ist, hoffen wir auf das Rettende. Unter Umständen führt diese Hoffnung in die Irre. Besonders in Krisenzeiten wächst mit zunehmender Beunruhigung auch der Hang zu alternativen Wahrheiten, die uns angeblich vorenthalten werden. Dann schlägt die Stunde der Besserwisser, Wichtigtuer und Aufschneider, die auf den Marktplätzen der Mediengesellschaft ihr Publikum finden. Ungeachtet empirischer Evidenzen enthüllen sie abenteuerliche Zusammenhänge, die bisher verschwiegen, verräterische Muster, die bisher übersehen, eigentliche Ursachen, die bisher vertuscht worden sind – nicht selten beglaubigt durch persönliche Offenbarungserlebnisse, bei denen es ihnen wie Schuppen von den Augen fiel. Verschwörungstheorien haben in der Corona-Krise mal wieder Hochkonjunktur.
Gerade weil die Gefahr unsichtbar ist, erzeugt sie Kopfgeburten, so verrückt diese auch sein mögen. In Wirklichkeit sei die Seuche das Blendwerk dunkler Mächte, ein raffiniertes Komplott, die Inszenierung kosmopolitischer Eliten aus der Digitalwirtschaft, der Pharmaindustrie, der Wallstreet. Diese hätten das Virus bloß erfunden, um von der Pandemiebekämpfung zu profitieren, damit sie noch reicher, noch mächtiger werden, oder hergestellt, um die Weltbevölkerung zu reduzieren. Im Hintergrund brodelt die Ursuppe aus der wahnproduzierenden Gerüchteküche: die Erzählung von der jüdischen Weltverschwörung mit den Rothschild-Bankern, George Soros oder Mark Zuckerberg als Drahtzieher, wobei gerne auch Bill Gates den Juden zugeschlagen wird. Sind nicht die meisten Internetpioniere jüdischer Herkunft?
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