
Streit um Berliner Platz : Ideologischer Showkampf einer verirrten Symbolpolitik
- -Aktualisiert am
Gelungene Übertragung des Kolonnadenbaus: Blick auf den Walter Benjamin Platz Bild: Picture-Alliance
Wenn mächtiges Kapital und grünes Wohlgefühl sich treffen: Auf dem Berliner Walter-Benjamin-Platz ist die Zeichenwende unserer Zeit zu besichtigen.
Sie wollen ihn offenbar ärgern. Erst denunzieren sie seinen Platz als „rechten Raum“, dann reißen sie eine Steinplatte mit Gedichtzeilen von Ezra Pound aus dem Boden, und nun stellen sie ihm Werbeträger für einen ökologischen Kapitalismus vor die Nase. Der Architekt Hans Kollhoff ist zu Recht entrüstet darüber, was auf seinem, vor zwanzig Jahren eröffneten Walter-Benjamin-Platz in Berlin geschieht. Es ist nicht irgendein Platz, um den es hier geht, sondern der architektonische Ausdruck einer Ästhetik, die sich auf den traditionellen Städtebau Italiens und Südeuropas bezieht und die Bautypologie der Kolonnade auf eine gelungene Weise in unsere Zeit übersetzt. Eines selbstbewusst monumentalen, womöglich auch provozierenden Stils, der sich an Überliefertem orientiert. Neben all den Transparenzbauten und falschen Schlösserfassaden muss auch eine solche, historisch affirmative Bauweise ihre Berechtigung in einem diversen Stadtbild haben. Sonst ist es nämlich nicht vielfältig, sondern borniert.
Zu Pound und seinen drei, den Wucher beklagenden Zeilen ist im Laufe des letzten Jahres alles gesagt worden. Die Vorstellung, dass man dem gegenwärtigen Antisemitismus begegnet, indem man ein mehrdeutiges Gedichtzitat entfernt, ist in etwa so nachvollziehbar, wie in politikwissenschaftlichen Seminaren die Lektüre Platons zu verbieten, damit es in Zukunft keine Alleinherrscher mehr gibt. Dass die Granitplatte mit der umstrittenen Aufschrift Ende Januar auf Geheiß der schwerreichen Investmentgesellschaft Blackstone, die als Eigentümerin des Platzes firmiert, heimlich entfernt wurde, war nicht nur ein Skandal, sondern auch ein Vorzeichen für das, was nun an bildhygienischem Furor entfacht wurde. Jetzt, auf dem Höhepunkt der allgemeinen symbolpolitischen Verirrungen, ist der Walter-Benjamin-Platz erneut zum Schauplatz eines ideologischen Showkampfes geworden.
Nett, aber zerstörerisch
In der Mitte des weiträumigen, nur von einem Springbrunnen bewegten Platzes steht seit einigen Wochen eine Gruppe hölzerner Biotech-Filter, die auf angeblich revolutionäre Weise die Luftqualität verbessern sollen. Entwickelt vom vielversprechenden Start-up „Green City Solutions“, binden die aus Moosarten bestehenden, etwa zwei Meter hohen Einheiten Feinstaub und produzieren gleichzeitig Sauerstoff. Dabei verdunsten die Moose Feuchtigkeit und versprühen hin und wieder ein bisschen Wasser. Nett, progressiv und vielleicht wirklich eine Forschungssensation, aber hier zerstört sie das Raumgefühl. Kollhoffs Platz lebt von flanierenden Menschen und spielenden Kindern. Er ist eine Piazza aperta, ein offener Platz, auf dem gerade keine Reiterstandbilder oder ideologische Statements den Raum verstellen. Wer nachts allein über ihn schlendert, der wird die Sehnsucht nach Italien so schnell nicht wieder los.
Die wuchtigen Holzklötze im Zentrum wirken deswegen wie eine Strafaktion: in Auftrag gegeben vom Investmentfonds, um das Image des Platzes öffentlichkeitswirksam umzudeuten und so seinen Wert zu steigern. Was hier geschieht, kann man als Symbol für die generellen Zeichenverschiebungen unserer Zeit lesen: Wenn Kapital und grünes Wohlgefühl sich verbünden, dann sind die Machtverhältnisse schnell klar. In den Umfrageergebnissen heißt das dann wohl: Schwarz-Grün.
