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Aufruhr im Museum : Mach es besser, Guggenheim!

  • -Aktualisiert am

On the bright side: Manhattan bei Morgengrauen Bild: Picture-Alliance

Wenn Kulturinstitutionen relevant sein und für eine Gesellschaft stehen wollen, die mit vielen Stimmen spricht, müssen sie ihre Struktur ändern: Der Fall des Guggenheim-Museums in New York ist dafür beispielhaft.

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          Es gibt ein Gemälde aus den achtziger Jahren, das zeigt zwei schweinchenpinke Uniformierte, Männer mit Reißzähnen, die riesige orangefarbene Schlagstöcke über dem Kopf einer kleinen schwarzen Figur schwingen. Darüber steht in krakeliger Schrift „Defacement?“. Jean-Michel Basquiat hat die Szene 1983 nach dem gewaltsamen Tod des 25-jährigen Künstlers Michael Stewart an die Atelierwand seines Freundes Keith Haring gemalt – ein Bild, das von Polizeigewalt, Rassismus und struktureller Benachteiligung erzählt.

          Stewart und Basquiat kannten sich nicht gut, sind sich aber in der bewegten Kunstszene des New Yorks der achtziger Jahre immer einmal wieder über den Weg gelaufen. Stewart war, nachdem er angeblich etwas an die Wand einer Subway-Station gemalt haben soll, von Beamten der Transitpolizei so lange geschlagen und gewürgt worden, dass er nach 13 Tagen im Koma starb. Elf Beamte wurden in einem anschließenden Prozess freigesprochen. Im Nachhall gab es ein paar Benefizkonzerte, bei denen unter anderen Madonna auftrat, Künstler aus Stewarts Umfeld verarbeiteten seinen Tod in ihren Bildern. „Das hätte ich sein können“, soll Basquiat immer wieder gesagt haben.

          36 Jahre später wurde ebendieses Bild im New Yorker Guggenheim-Museum gezeigt. Das ikonische, spiralförmige Haus windet sich direkt am Central Park in die Höhe – in einer der teuersten Wohngegenden der Welt, nur ein paar Blocks vom Metropolitan Museum of Art entfernt. Das Guggenheim besitzt eine umfassende Sammlung klassischer Moderne, unterhält einen Ableger im spanischen Bilbao, ein weiterer Standort in Abu Dhabi befindet sich in Planung. Aus so weitreichendem Erfolg erwächst auch Verantwortung. Gegenüber den Inhalten, die das Haus zeigt, aber auch gegenüber den Mitarbeitern. Die Ausstellung, in der das Bild bis zum November 2019 gezeigt wurde, hieß „Basquiat’s ,Defacement‘: The Untold Story“ und wurde von Chaédria LaBouvier konzipiert.

          Sie ist die erste schwarze Kuratorin, die in der 80-jährigen Geschichte des Guggenheims dort je federführend eine Ausstellung verantwortet hat. LaBouvier ist keine klassische Kuratorin, die Stationen an verschiedenen Häusern und eine lange Liste an Ausstellungen zu verschiedenen Themenbereichen vorweisen kann, sie ist vor allem als Drehbuchautorin und momentan als Aktivistin tätig. 2016 hat sie das Bild am Williams College in Massachusetts gezeigt, begleitet von einem umfassenden Programm, das vorführen sollte, was das Bild heute für die amerikanische Gesellschaft bedeuten kann.

          Am Guggenheim wurde man auf die kleine Präsentation aufmerksam und lud LaBouvier ein, die Ausstellung nach New York zu bringen. Wer könnte so ein Angebot ablehnen? Doch LaBouvier beschreibt die Zusammenarbeit nach der Eröffnung im Juni vergangenen Jahres in einer Reihe von Tweets als die „rassistischste Arbeitserfahrung ihres Lebens“. Speziell der Chefkuratorin des Guggenheims, Nancy Spector, machte sie Vorwürfe, aber auch der gesamten Führungsebene. Es ging um ihre Autorschaft, Sichtbarkeit und Teilhabe. So wurde LaBouvier zum Beispiel zu einer Podiumsdiskussion zum Abschluss der Ausstellung gar nicht erst eingeladen. Das sei eine übliche Praxis und kein Hinweis auf Rassismus, verteidigte Elizabeth Duggal vom Guggenheim die Entscheidung; doch damit kam das Museum nicht davon. Kurz nach den Tweets von LaBouvier erreichte ein offener Brief das Management des Guggenheims, in dem die kuratorische Abteilung eine „Kultur der Angst“ anprangerte und von einem sowohl rassistisch als auch sexistisch geprägten Arbeitsumfeld schrieb. Am Haus herrsche eine Stimmung, die „weiße Vorherrschaft ermöglicht“ und in der es keine transparente und faire Personalpolitik gebe.

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