Ein neues Tattoo
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Das zerstörte Haus des Schriftstellers Oleksandr Mykhed in Kiew. Bild: Sasha Samusevych
Während er schreibt, sind die Wege vor seinem Haus übersät von Körpern der russischen Eroberer. Und von ihren Minen, die irgendwann Menschen zerfetzen werden. Ein ukrainischer Schriftsteller über die Zerstörung in Kiew.
Für meine Frau und mich gehört das Wochenende der Familie. Wir machen mit unserer Hündin Lisa einen langen Spaziergang. „Guck mal, da kommt ein kleiner Fuchs!“, sagt jeder, der sie sieht. Lisa wedelt dann mit ihrem roten Schwanz mit weißen Flecken, als wollte sie zustimmen. Von Hostomel aus laufen wir durch den Wald, an der Warschauer Schnellstraße entlang in Richtung Butscha. In der Siedlung Rich Town kehren wir in unserem Lieblingscafé ein, im Monokel. Ich bestelle mir zum Frühstück Eier Benedykt, Olena nimmt Kaffee und Quarkkeulchen. Dann schauen wir im Zvirutti bei Oleksij vorbei und kaufen Spezialnahrung für Lisa, sie war lange Zeit herrenlos, hat auf dem Markt gelebt und das gefressen, was eben so abfiel, deswegen achten wir jetzt auf ihre Ernährung.
Ein paar Stunden später sind wir zurück in unserem Townhouse und fangen an zu putzen: drei Etagen, 100 Quadratmeter. Ich wische den Boden und lasse mich dabei immer wieder ablenken – ich nehme Bücher aus unserer wunderbaren Bibliothek zur Hand. Greife mir ein Buch, das ich schon lange mal lesen wollte (in den letzten Wochen hatte ich immer mal wieder Christoph Ransmayrs „Die Schrecken des Eises und der Finsternis“ in der Hand), oder ich vertiefe mich in unsere Sammlung mit Arbeiten moderner ukrainischer Künstler. Wir haben die Bilder nämlich nicht aufgehängt, sondern schauen uns unsere Schätze lieber von Zeit zu Zeit an. Auf einhundert geputzte Quadratmeter kommen Dutzende zufällig gelesene Seiten.
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