Im Gespräch: René Obermann und Frank Rieger : Snowdens Enthüllungen sind ein Erdbeben
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Der Sprecher des Chaos Computer Clubs, Frank Rieger (links), im Gespräch mit Telekom-Chef René Obermann. Bild: Frank Röth
Fordert die Telekom nur aus Gewinnstreben ein europäisches Netz? Im Streitgespräch zwischen Hacker und Unternehmenschef widerspricht René Obermann dem Vorwurf: „Wir sind im Zeitalter von Big Brother angekommen.“
Die Telekom hat im Zusammenhang mit den Snowden-Enthüllungen die Debatte mit darüber eröffnet, ob wir nicht im weitesten Sinne europäische Systeme haben könnten. Sie wurde für ihre Idee eines „Schengen-Routings“ sofort kritisiert. Das ist der Ausgangspunkt unserer Debatte. Was haben Sie vor? Und, Herr Rieger, was müssen wir darüber wissen, und was hat man dem zu entgegnen?
René Obermann: Vorabbemerkung: Das Internet muss selbstverständlich offen bleiben, es geht uns nicht um Beschränkungen oder um eine Balkanisierung des Netzes. Wir wollen eine Diskussion anstoßen, wie man mehr Sicherheit im Netz schaffen kann. Ich finde die Zustände, die wir im Moment haben, unhaltbar. Wir sind im Zeitalter von Big Brother angekommen und zerlegen uns wieder selbst, statt etwas zu unternehmen. Damit will ich mich nicht abfinden. Darum jetzt unser Vorschlag für ein Internet der kurzen Wege. Schengen-Routing heißt nur, wenn Sender und Empfänger innerhalb des Schengen-Raums sind, dass dann Daten nicht unnötig über Amerika oder Asien geroutet werden. In Amerika wird es längst so gehandhabt.
Frank Rieger: Du sprichst für einen der größten Telekommunikationskonzerne. Eines der Probleme, das wir in den Snowden-Enthüllungen gesehen haben, ist, dass die Telekommunikationskonzerne traditionell willige Komplizen im geheimdienstlichen Abhörspiel sind.
Obermann: Wir als Telekom wehren uns entschieden gegen diesen Vorwurf! Unser Name taucht in keinem belastenden Dokument auf.
Rieger: Auch zu eurem Konzern wurde ein Dokument veröffentlicht, das Zusammenarbeit mit amerikanischen Behörden belegt. Wozu er ja durch die Gesetze gezwungen ist, insbesondere, was T-Mobile USA angeht. Die Amerikaner haben die FBI-Schnittstelle, die für die Strafverfolgung notwendig ist, genutzt, damit Nachrichtendienste Daten ausspähen konnten.
Obermann: Sorry, aber das ist mir zu platt. Über diese Vereinbarung haben wir die Öffentlichkeit 2001 informiert. Da ist nichts Geheimes dran, denn sie regelt ausschließlich die Weitergabe amerikanischer Daten zur Verbrechensbekämpfung an das FBI, nicht an Geheimdienste. Eine solche Vereinbarung muss jeder ausländische Netzbetreiber, der in Amerika investiert, unterzeichnen, sonst dürften wir in Amerika keine Infrastruktur betreiben. Dass wir der Polizei Daten zur Verbrechensbekämpfung liefern müssen - solche Gesetze gibt es auch in Deutschland -, macht uns nicht zu Komplizen der Geheimdienste.
Rieger: Was ist mit dem BND und dessen Anlagen, die hierzulande auf Internet- und Telefonverkehr zugreifen und die auch auf den Telekom-Leitungen sitzen?
Obermann: Auch das ist gesetzlich geregelt, im sogenannten G-10-Gesetz, daran halten wir uns. Aber was erleben wir gerade? In den Medien können wir lesen, dass Daten in großem Umfang und anlasslos von ausländischen Geheimdiensten abgesaugt werden. Das wäre ein Eingriff in unsere Grundrechte. Dagegen muss man etwas tun, deshalb sagen wir: Lasst die Daten wenn möglich im Schengen-Raum, wo wesentlich strengere Datenschutzrechte als in anderen Ländern gelten. Wir wollen das Thema fördern, damit sich die Situation bessert.
Herr Obermann, ein Vorwurf lautet, hinter dem Vorschlag der Telekom stünden rein wirtschaftliche Interessen.