Snowden-Interview bei NBC : Verblüffung über einen jungen Mann
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Snowden (rechts) im Interview mit dem NBC-Journalusten Brian Williams Bild: AP
Das Opfer, das Edward Snowden für seine Überzeugungen gebracht hat, liegt für alle Welt zutage. Kläglich wirken dagegen die Diffamierungen seiner Person durch Barack Obama oder John Kerry. Im Interview mit NBC hat Snowden nun dagegengehalten.
Auch Glenn Greenwald war nach Moskau gekommen, um beim ersten Interview zugegen zu sein, das Edward Snowden dem amerikanischen Fernsehen gegeben hat. Am Mittwochabend um zehn Uhr Ostküstenzeit strahlte NBC einen Zusammenschnitt des Gesprächs aus, das Brian Williams, Moderator der Nachrichtensendung „Nightly News“, in der vergangenen Woche in einem Hotel mit Snowden geführt hatte.
Die Sendung dauerte eine Stunde; die Werbepausen waren allerdings besonders lang. Für ein paar Minuten saß auch Greenwald vor der Kamera. Der Journalist, der soeben sein Buch zum Fall veröffentlicht hat und als freier Mitarbeiter des Senders vorgestellt wurde, berichtete über seine erste Begegnung mit Snowden und erzählte etwas Wichtiges: Er war überrascht, dass ihm ein junger Mann gegenübertrat.
Im Lichte des geheimen Materials, das Snowden zu treuen Händen weitergeben wollte, hatte Greenwald angenommen, er habe es mit einem erfahrenen Beamten im letzten Stadium der dienstlichen Laufbahn zu tun. Wer sich einen der Auftritte Snowdens vor der Weltöffentlichkeit ansieht, kann Greenwalds Verblüffung immer noch nachempfinden.
Unheimliche Fähigkeit, sich die Welt vom Leib zu halten
Bleich und schmächtig sitzt Snowden auf dem Hotelzimmerstuhl, mit gespreizten Beinen und leicht nach vorn gebeugt, in der aufmerksamen Haltung eines Bewerbers um einen Studienplatz an einer Ivy-League-Universität, dem daheim in der Kleinstadt niemand gesagt hat, wie man Lockerheit simuliert. In seinem Gesicht findet man keine Spuren einer Lebenserfahrung, die mit etwas anderem als der Sache zu tun hätte, die ihn prominent gemacht hat. Man sieht solche jungen Leute mit der unheimlichen Fähigkeit, sich die Welt vom Leib zu halten, von Zeit zu Zeit im Fernsehen; meistens handelt es sich um Spitzensportler, manchmal um Virtuosen der klassischen Musik.
Das Fachwissen der Computertechnik gilt noch immer als Domäne der Jüngsten. Dass Snowdens Jugend gleichwohl frappiert, hat damit zu tun, dass man mit einem Blick sieht, was er verloren gab, als er sich entschied, seine Mitbürger vom Ausland aus über ihre Ausforschung durch die eigene Regierung zu unterrichten. Sein Leben lag noch vor ihm; er sammelte nicht über Jahrzehnte üble Erfahrungen als bürokratischer Insider, bevor er mit der Organisation brach.
Das Opfer, das Snowden für seine Überzeugungen gebracht hat, liegt für alle Welt zutage. Kläglich wirkt es vor diesem Hintergrund, dass John Kerry, der patrizische Veteran einer Sicherheitspolitik der wohlgesetzten Worte, sich dazu herablässt, Snowden als Feigling zu bezichtigen. Dieser Ausschnitt aus einem Interview, mit dem der Außenminister auf Snowdens Interview reagiert, wurde am Mittwoch eingespielt.
Verschwörung von Gutgesinnten, die überall Verrat wittern
Kerry, dessen Bewerbung um die Präsidentschaft scheiterte, weil eine böswillige Kampagne ihn der Feigheit bezichtigte, erhob gegen den Staatsdiener, dessen einsames Handeln zu einer im überparteilichen Konsens beschlossenen Reform der Sicherheitsgesetze geführt hat, den schwersten Vorwurf, den die republikanische Ethik kennt. Ist es nicht unter der Würde eines Ministers, ein solches Unwerturteil über einen Menschen zu sprechen, dem man gleichzeitig einen fairen Prozess zusagt, wenn er aus dem Exil zurückkehrt?
Die Unsachlichkeit, die höchste Repräsentanten von Regierung und Kongress im Umgang mit Snowden demonstrieren, legt nahe, an einen Geburtsschaden der Republik zu denken. Offenbar behält ein revolutionärer Staat auch nach der Durchsetzung seiner Staatlichkeit die Züge einer Verschwörung der Gutgesinnten, die überall Verrat und Lauheit wittern.