Big-Data-Studie : Wir verlieren die Hoheit über unsere Daten
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Wenn alle Alltagsdinge vernetzt und intelligent werden, geht es um „smart everything“. Auch die Deutsche Bank wählt zur Illustration des Internets der Dinge eine „Datenkrake“. Bild: Deutsche Bank Research
Eine Studie der Deutschen Bank über die digitale Zukunft warnt die Unternehmen davor, das Misstrauen der Bürger zu unterschätzen. „Für jedes positive Beispiel von Big Data fallen mir ebenso Horrorszenarien ein“, sagt der Autor der Studie, Thomas F. Dapp, im F.A.Z.-Interview.
Das Phänomen „Big Data“ lässt sich veranschaulichen: Die von der gesamten Menschheit bis zum Jahr 2003 angesammelte Datenmenge fiel bereits zehn Jahre später alle 48 Stunden an. Dem Wachstum der Datenspeicher steht die Beschleunigung der Datenverarbeitung in nichts nach. Der digitale Wandel stecke noch in seinen Kinderschuhen, habe die Gesellschaft aber bereits voll erfasst, sagt nun eine Studie der Deutschen Bank. Der „Megatrend“ sei nicht nur die Analyse gewaltiger Datenmengen, sondern unter anderem auch die biometrische Sensorik als „essentielle Schlüsseltechnologie“ und „lukratives Einsatzgebiet“, gerade für die deutsche Wirtschaft. Wenn wir in wenigen Jahren über Bewegungsprofile sprechen werden, wird es dabei auch um Gesundheitsdaten gehen, um detaillierte Protokolle unseres körperlichen Befindens und Verhaltens.
Die Chancen der Erfassung und Vernetzung von Daten werden seit Jahren beworben. Spätestens seit den ersten Enthüllungen Edward Snowdens vergangenen Sommer sei jedoch eine weiterführende Diskussion notwendig, heißt es in der Studie. Individuelle „Ratschläge zur Datensparsamkeit bieten keine Lösungen“ für die Probleme, die die Technologie mit sich bringe. Denn immer seltener könne sich der Einzelne der Datenerfassung entziehen; auch die Anonymisierung von Datensätzen gelinge nur selten. Ebenso zählen zu den Risiken der digitalen Gesellschaft auch die unachtsame oder absichtliche Manipulation von Daten. Wir haben mit dem Autor der Studie, Thomas F. Dapp, über den ökonomischen Nutzen von Daten und die Notwendigkeit politischer Regelungen gesprochen. (stsch)
Herr Dapp, Sie beschreiben in einer aktuellen Studie von Deutsche Bank Research Big Data als Raum für „Experimente, Innovationen und Kreativität“. Wie bewerten Sie das wirtschaftliche Potenzial der neuen Technologien?
Big Data ist schon heute viel mehr als die wirtschaftliche Nutzung von Daten. Die Kreativität und die Experimente sind wünschenswert. Durch die Biometrie und Sensorik kommen wir vielen Träumen näher, sei es die künstliche Intelligenz oder die humanoide Robotik. Aber es gibt gleichzeitig Aspekte außerhalb der Monetarisierung. Wir bewegen uns auch in eine Richtung, in der wir die Hoheit über Daten verlieren. Es ist zu einer Schieflage gekommen. Wenn wir keinen adäquaten Weg zur Regulierung finden, fallen mir für jedes positive Beispiel von Big Data ebenso Horrorszenarien ein. Wir können die Diskussion heute auch nicht mehr ohne die Geheimdienste führen.
Sie illustrieren das Thema in ihrer Studie mit einer Datenkrake und sprechen von „der dunklen Seite der Macht“. Lassen sich die Chancen und Risiken von Big Data heute überhaupt schon abwägen?
Die Technologie ist noch jung, die gesellschaftlichen Wirkungen wenig erforscht. Die kommerziellen Perspektiven zeigen sich aber bereits. Vielen Unternehmen ist klar, dass sie bei einem entsprechenden Umgang mit Daten ihre Kosten optimieren und auf Kunden sehr individuell zugehen können. Das bedeutet jedoch gleichzeitig die Gefahr, dass der Einzelne seine Datenhoheit verliert. Datensätze werden einmal erhoben, und immer wieder neu verwendet. Sie können nie wissen, wo die Daten auch später eine Rolle spielen werden. Im schlechtesten Fall hängen heute bereits Karrieren davon ab. Die kommerziellen Absichten stehen bei der Diskussion um Big Data im Mittelpunkt. Nun gilt es weiter zu denken. Viele Akteure, die das digitale Ökosystem im Netz bestimmen oder die Geheimdienste verursachen Unbehagen. Der Mensch ist im Internet nicht mehr allein, das darf nicht sein.
Sie beschreiben die digitalen Profile als „verblüffend, aber auch beängstigend detailgetreu“. Der Mangel an Datenhoheit sei „alles andere als erfreulich“. Wie lässt sich Datenhoheit zurückgewinnen oder verteidigen?