Titanic-Anwältin zu Böhmermann : Das ist die perfekte Satire
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Er denkt, er weiß, wo es lang geht: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan zieht gegen den ZDF-Moderator Jan Böhmermann alle Register. Bild: AP
Hat sich Jan Böhmermann mit seinem Erdogan-Gedicht strafbar gemacht? Die Anwältin Gabriele Rittig, die das Satiremagazin „Titanic“ vertritt, hat dazu eine klare Meinung. Und verrät, warum sie „die verzweifelteste Anwältin auf Gottes Erde“ ist.
Frau Rittig, Sie vertreten die „Titanic“ seit vielen Jahren anwaltlich, wenn gegen das Satiremagazin geklagt wird – was waren Ihre krassesten Fälle?
Die Klage von Papst Benedikt XVI. gegen das Titelbild zu Vatileaks, das eine Soutane mit gelben Flecken zeigte. Die Klage wurde dann aber zurückgenommen. Auch Kurt Beck gehört dazu, der als „Problembär außer Rand und Band“ auf einem Titel zu sehen war. Die SPD hatten wir unter den Beleidigten schon reichlich dabei. Dort scheint man nicht gerade ein Ausbund an Humorfähigkeit.
Und die CDU?
Meines Wissens hat ein Mitglied der CDU noch kein einziges Mal geklagt, schon gar nicht Helmut Kohl, der ja sehr oft und nicht immer schmeichelhaft abgebildet war.
Liegt das daran, dass eher Politiker klagen, die nicht so fest im Sattel sitzen?
So scheint es mir. Es kann aber auch mit dem Unterschied zwischen Katholiken und Protestanten zu tun haben.
Was an Satire erlaubt ist und was nicht, haben Gerichte zu entscheiden, oder?
So ist es.
Und was gibt es juristisch für Probleme mit der Satire?
Die Satire hat heute ein mehrstufiges Problem. Zunächst das uneigentliche Sprechen: Ist das tatsächlich so gemeint? Und erkennt man das auch? Dazu entwickelte die Rechtsprechung die sogenannte Deckmantel-Theorie: Jemand benutzt die satirische Form nur als Vorwand, um jemanden zu beleidigen.
Trifft das auf Jan Böhmermann zu?
Nein, das wäre nachgerade absurd.
Er nannte seinen Beitrag ein „Schmähgedicht“. Was ist eine Schmähung?
Bei ihr tritt, wie bei der erwähnten Deckmanteltheorie, der sonstige Sinn oder Gehalt der Äußerung hinter der Intention des Beleidigens zurück. Eine solche Intention muss aber nachweisbar sein.
Das ist schwierig.
Ja, und deswegen ist der eigentlich relevante Punkt dabei ein anderer: der Empfänger-Horizont. Das heißt, trägt der Autor der Satire die Verantwortung für Missverständnisse im Publikum?
Böhmermann hat die Erdogan-Schmähung aber ausdrücklich gerahmt: Ich zeig euch mal, wie man so etwas machen könnte. In gewisser Weise war das uneigentliches Sprechen.
Er hat das kenntlich gemacht, wohl wahr! Aber es ist denkbar, dass Leute vor dem Fernseher saßen, die nur die Schmähung als solche zur Kenntnis genommen haben, nicht aber das, was Böhmermann noch dazu gesagt hat.
Also reicht die Rahmung doch nicht aus?
Tja. Meine Meinung dazu ist eine etwas andere als die, mit deren Anwendung man am Ende rechnen muss.
Und was meinen Sie?
Wenn es mit rechten Dingen zuginge, müsste er damit durchkommen. Es gibt aber einige Begriffe, die, wenn man sie nicht in den Gesamtkontext stellt, als Formalbeleidigung gelten.
Sie meinen „Ziegenf***“.
Unter anderem. Böhmermann hat mit sämtlichen Vorurteilen und dem Vokabular des Rassismus gespielt. Aber er ist kein Rassist. Seine Satire war, legt man die Maßstäbe der Satiretheorie an, perfekt. Er hat das Geschwätz auf den Punkt gebracht.
Dann müsste es doch kein Problem geben.
Doch: Nämlich dann, wenn man ihn auch für die Gefühle derjenigen verantwortlich macht, die den Beitrag missverstanden haben. Wessen Verständnis ist maßgebend: das der Zuschauer, die Satire erkennen, oder das derjenigen, die schon die Wortwahl als Beleidigung auffassen?
Was denken Sie, wie eine Klage ausgehen würde? Wie ist da Ihre Erfahrung?
Mein Gott, ich bin ja die verzweifelteste Anwältin auf Gottes Erde!
Wieso?
Sie müssen nicht denken, dass wir alle Prozesse gewonnen hätten – wir haben fast alle verloren.
Wie kommt das?
Es gibt ja bezüglich der Satire-Freiheit viele Lippenbekenntnisse. Aber die beziehen sich auf Fälle, in denen es nicht wirklich weh tut. Das „extra 3“-Lied über Erdogan war ja ein harmloses Kinderlied. Irgendwann sind natürlich auch Geschmacksfragen berührt. Nur: Geschmack ist keine justitiable Kategorie.
Was wird mit Böhmermann passieren? Die Bundeskanzlerin hat gesagt, das Gedicht sei „bewusst verletzend“ gewesen.
Damit hat sie sich ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt. Frau Merkel muss nur zulassen, dass die Angelegenheit auf die Ebene des einschlägigen Paragraphen 103 gehoben wird...
...der die Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter betrifft.
Ja. Das betrifft aber nur die formalen Voraussetzungen, den Paragraphen anwenden zu können. Aber wenn man den Paragraphen 103 sorgfältig prüft, muss man am Ende auch hier, wie bei der „normalen“ Beleidigung nach Paragraph 185 StGB, Böhmermann nachweisen können, dass eine Beleidigung beabsichtigt war.
War sie das?
Wohl kaum. Wenn alles in geordneten juristischen Bahnen läuft, wird man das Verfahren eigentlich einstellen müssen.