Debatte um „Homo-Ehe“ : Eine Institution zur Zähmung der jungen Männer
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Getraut: das homosexuelle Paar Michael (l.) und Oliver Wielsch während ihrer Eheschließung am 29. August 2014 in Göttingen Bild: dpa
Die Linke ist für die Libertinage, Konservative stehen für Bindung und Beständigkeit. Folglich müsste doch auch die „Homo-Ehe“ ein zutiefst konservatives Projekt sein.
Es gehört zu den Aufgaben eines Regierungssprechers, auch bei Kämpfen, die längst verloren sind, noch tapfer die Stellung zu halten. Und so musste Steffen Seibert in dieser Woche in der Bundespressekonferenz erklären, warum die große Koalition zwar einerseits die Benachteiligung von Homosexuellen „in allen Lebensbereichen“ aufheben will, ihnen andererseits aber nicht das Recht geben will, zu heiraten. Er hatte sichtlich kein Vergnügen daran.
Das eine sei das klare Ziel der Bundesregierung, sagte Seibert, das andere eben nicht. Auf die Nachfrage, warum das so sei, fügte er hinzu, es gebe einen Unterschied zwischen Lebenspartnerschaften und der Ehe, tat sich aber schwer, ihn zu erklären: „Das ist ein Unterschied, der in den Traditionen, kulturellen, religiösen Grundlagen unseres Landes liegt, die dann zum Grundgesetz geführt haben, so wie es 1949 formuliert wurde.“ Schließlich, kapitulierend: „Ich habe mich jetzt dazu nicht weiter zu äußern.“
„Konservative glauben an Bande, die uns verbinden“
David Cameron, der spätere britische Premierminister, gab im Wahlkampf 2010 ein Interview, in dem er eine ähnlich unglückliche Figur machte. Er beschwor erst, dass sich seine konservative Partei geändert habe und die Gleichstellung von Lesben und Schwulen als grundsätzliches Menschenrecht anerkenne, verhedderte sich dann aber heillos im Versuch, zu erklären, warum seine Abgeordneten nicht entsprechend abstimmten und es auch nicht zwingend müssten.
Cameron wusste damals schon, dass sich alle konservativen Parteien Europas auf den Weg machen müssten, die Rechte der Homosexuelle anzuerkennen. Nicht lange danach muss er erkannt haben, dass es sich lohnen könnte, sich auf dieser Reise, wenn sie schon unvermeidlich ist, nicht widerwillig von der Gesellschaft ziehen zu lassen, sondern sich gleich an die Spitze zu setzen. 2011 plädierte er auf einem Parteitag für die Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern. Und erklärte sie zu einem konservativen Projekt.
Er sagte: „Ja, es geht um Gleichberechtigung, aber es geht auch um etwas anderes: sich zu verpflichten. Konservative glauben an Bande, die uns verbinden; daran, dass die Gesellschaft stärker ist, wenn wir einander Versprechen abgeben und uns gegenseitig unterstützen. Deshalb unterstütze ich die Homo-Ehe: Nicht, obwohl ich ein Konservativer bin. Ich unterstütze die Homo-Ehe, weil ich ein Konservativer bin.“ Am Tag, an dem das Gesetz in Kraft trat, verglich er die neuen Partnerschaften mit seiner eigenen und sagte, die Ehe mit seiner Frau sei ein „besonderer Teil der Verpflichtung, die wir beide füreinander eingegangen sind“.
Im Grunde ein konservatives Projekt
Cameron war vorher alles andere als ein zuverlässiger Verbündeter gewesen im Kampf für die Gleichberechtigung Homosexueller; gegen die berüchtigte „Clause 28“, mit welcher unter Margaret Thatcher alles verboten wurde, was sich als „Förderung von Homosexualität“ verteufeln ließ, hatte er wenig einzuwenden gehabt. Insofern konnte man zweifeln, ob ehrliche Überzeugung hinter seinem Einsatz stand – oder doch eher Taktik beim Versuch, seine Partei demonstrativ zu modernisieren. Wobei es durchaus Zweifel gab, ob das überhaupt eine schlaue Taktik wäre und er konservative Wähler nicht in die Arme der aufstrebenden rechten Ukip triebe. Kritiker sagten voraus, dass die Tories dadurch Stammwähler vergrault und alle Chancen verloren hätten, bei der Unterhauswahl eine absolute Mehrheit zu erzielen. Vor drei Wochen gelang der Partei dann genau das. Cameron hatte die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare zuvor als eine jener Errungenschaften bezeichnet, auf die er besonders stolz sei.