
Sprachkritik : Zu dumm für gutes Deutsch
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Das sogenannte Gendersternchen Bild: dpa
Es wird viel geklagt über Gendersternchen und Doppelpunkte. Aber muss es der Sprachkritik nicht um viel mehr und Größeres gehen?
Neulich war im liebsten Radiosender aller politisch interessierten Deutschen die folgende, ganz erstaunliche Meldung zu hören: Ein Grundstein sei gelegt worden, und zwar für den Deutschlandtakt der Deutschen Bahn; demnächst werde man mit einem Pilotprojekt beginnen.
Na und, konnte man da denken, bei so etwas hört man einfach weg, ganz ohne das Übersetzungsprogramm im eigenen Kopf einzuschalten, ist ja nur Hintergrundgeräusch. Man muss sich aber die Mühe machen, die Meldung beim Wort zu nehmen, dann merkt man, was für ein Blödsinn das ist. Wie legt man den Grundstein für einen Takt? Und was können Piloten zum Gelingen eines Eisenbahnfahrplans beitragen?
Ein paar Tage später hieß es, die Commerzbank sei zurück bei den schwarzen Zahlen. Und man dachte dabei: Wäre ich eine schwarze Zahl, würde ich die Bank ganz herzlich begrüßen.
Sprechstolperer und Verständnisschwellen
Ja, Sprachkritik klingt meistens ein bisschen besserwisserisch, nörgelig, streberhaft – und es ist alles nur noch schlimmer geworden, seit sich diese Kritik nur noch auf zwei Themen konzentriert. Beim einen Thema geht es um den Versuch, Frauen und möglichst viele sexuelle und ethnische Minderheiten beim Sprechen und Schreiben einzuschließen, was zu den bekannten Sprechstolperern und Verständnisverzögerungen führt, zu hässlichen Doppelpunkten oder Großbuchstaben mitten im Wort. Von einem Theaterinnenhof war kürzlich die Rede – und tatsächlich dauerte es ein paar Sekunden, bis man begriff, dass das ein Wort ganz ohne Hintersinn war. Aber wenn man als sprachkritische Reaktion darauf immer nur mit dem generischen Maskulinum droht und trotzig den semantischen Status quo verteidigt, demonstriert man nebenbei, dass man es nicht für nötig hält, neue Verhältnisse mit neuen Begriffen zu beschreiben.
Das andere Thema sind die Leute, die man unterhalb des eigenen Status vermutet, die Menschen, die Migrantenslang sprechen oder Straßendeutsch und die, was wohl vom vielen Hip-Hop-Hören und Serienschauen kommt, immer neue englische Wörter in die schöne deutsche Sprache schmuggeln, sich mit unverständlichen Ausdrücken der Aufsicht von Lehrern, Eltern und Sprachhütern entziehen und damit ihren Anteil haben an der Spaltung der Gesellschaft in jene, die den Babo verstehen, und jene, denen das verwehrt bleibt. Wer diesen Schmuggel unterbinden will, übersieht aber, dass sich auf diesem Weg, von unten gewissermaßen nach oben, die Sprache schon immer erneuert hat, und kann sich ja schon mal bei Manufactum ein paar gute alte deutsche Wörter reservieren lassen. Wobei der ganze Jugend- und Migrantenslang hundertmal anschaulicher ist als das dürre, bürokratische und meistens manifest falsche Pseudoenglisch, das im oberen Management jede Konferenz zu einem einzigen Missverständnis macht.
Sprachkritik ohne Liebe zur Sprache, ohne Leidenschaft für den schöneren, genaueren und frischeren Begriff, ist pure Nörgelei, sie bleibt folgenlos – und muss genau deshalb ihrerseits Gegenstand der Sprachkritik sein: Weil Folgenlosigkeit das Schlimmste ist, was man einem Satz bescheinigen kann. Und weil es um eine andere Art der Kritik, eine Kritik, die fragt, wie Sprache ihren Gegenstand spiegelt oder verschleiert, erhöht oder eben verhöhnt, eigentlich gehen muss. Wer sagt was zu welchem Zweck und mit welchem Effekt: Das ist die Frage, die sich stellt, wenn man sich die Mühe macht, das Fernsehen, das Radio, die Politik ausnahmsweise einmal beim Wort zu nehmen.