Putin spricht kommunistisch
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Plakatkunst in Prag zeigt Lenins und Putins Konterfei auf einem Motiv. Bild: picture alliance
Stéphane Courtois hat das „Schwarzbuch Putin“ herausgegeben. Es beschreibt, was den russischen Machthaber radikalisiert hat und wie aus einem autoritären Regime ein totalitäres wurde: Besuch bei einem streitbaren Historiker.
Ich war dabei“, erwähnt er beiläufig. Aber womöglich werden Historiker künftiger Generationen dem Anlass von Stéphane Courtois’ Anwesenheit mehr Bedeutung zuschreiben. Er selbst erinnert sich an die eisige Kälte und Dauerregen. Auf der Fahrt zum Flughafen sah er die Demonstranten: In Kiew hatte die Maidan-Revolution begonnen. Courtois war damals in der ukrainischen Hauptstadt, um sein „Schwarzbuch der kommunistischen Verbrechen“ zu präsentieren. Im Theater wurde die Oper eines kanadischen Komponisten zum Gedenken an den Holodomor aufgeführt. Der französische Historiker hielt zur Premiere eine kurze Ansprache.
Wir sitzen in seiner Pariser Wohnung – Courtois im gleichen Fauteuil wie vor einem Vierteljahrhundert: „Nie hätte ich mir damals vorstellen können, dass mich das Schwarzbuch während so vieler Jahre auf Trab halten würde.“ Weltweit wurden mehr als ein Million Exemplare verkauft. Courtois’ Kollege und Komplize François Furet, der gleich um die Ecke wohnte, sollte das Vorwort schreiben. Dann starb er überraschend 1997, Courtois übernahm. Das „Schwarzbuch“ erschien im November als Bilanz zum 80. Jahrestag der Russischen Revolution. In Frankreich löste es unter Politikern und Historikern heftigen Streit aus – auch Mitarbeiter des Sammelbands wie Nicolas Werth distanzierten sich von Courtois’ Einführung. Wie Furet verglich er den Kommunismus mit dem Nationalsozialismus und die Verbrechen Hitlers mit Stalins. Die Hungersnot bezeichnete er als „Klassengenozid“. Kritisiert wurde das Aneinanderreihen so unterschiedlicher Länder wie China, Kambodscha, Kuba, Afghanistan, was in der Summe die runde Zahl von 100 Millionen Opfern ergab.
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