Satire und Rassismus : Die schärfsten Kritiker des N-Worts
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Schrubben witzlos: Herr Haubold dekuvriert sich in Robert Gernhardts Bildgeschichte als Alltagsrassist. Bild: Robert Gernhardt / S. Fischer Verlag
Eine Szene im ersten Spielfilm von Otto Waalkes wird als rassistisch kritisiert. Ihre Vorlage stammt von Robert Gernhardt: ein kunstgerecht schlichtes Lehrstückchen über die Dialektik der nach Hautfarben sortierenden Aufklärung.
Um die Filmkomödie „Otto – Der Film“, die 1985 ein großer Erfolg an der Kinokasse war und jetzt von einem Streamingdienst ins Angebot aufgenommen wurde, ist ein Streit entbrannt. Anstoß genommen wird an einer Szene, in der die urdeutsche Titelfigur und ein amerikanischer Soldat, gespielt von Günther Kaufmann, das „N-Wort“ verwenden, wie man in einem Artikel über die Kontroverse las. Die Szene spielt mit dem Wort, die beiden Figuren werfen es sich wechselseitig an den Kopf. Matthias Wendlandt, Geschäftsführer der Produktionsfirma, hat den Rassismusvorwurf als Missverständnis zurückgewiesen. Die „bloße Nennung bestimmter Begriffe“ genüge zum Beweis des Vorwurfs nicht. Hier scheiden sich die Geister. Tahir Della, der Sprecher des Vereins Initiative Schwarze Menschen in Deutschland, wirft Wendlandt die Leugnung „offenkundiger rassistischer Inhalte“ vor und nennt die Abwehr des Vorwurfs „symptomatisch für das mangelnde Rassismusverständnis“ der deutschen Gesellschaft.
Das Gelächter, das der Dialog zwischen Otto Waalkes und dem 2012 verstorbenen Günther Kaufmann mutmaßlich auch bei heutigen Zuschauern auslösen kann, ist in Dellas Ohren ein Vorzeichen des Unheils. „Wenn diskriminierender Humor normalisiert wird, brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn es zu Schlimmerem kommt.“ Diesen Satz darf man jenseits aller subtilen Formen ungerechter Behandlung, denen Dunkelhäutige im deutschen Alltag ausgesetzt sind, auch auf physische Gewalt beziehen, denn jeder Gebrauch des „N-Worts“ wird als Akt der verbalen Gewalt gewertet. Sprachkritischen Aktivisten genügt es nicht, dass die Verwendung des Wortes „Neger“ ohne mitgedachte Anführungszeichen den Sprecher heute diskreditiert. Es soll auch aus älteren Büchern getilgt und beim Vorlesen durch den Platzhalter mit dem exponierten Anfangsbuchstaben ersetzt werden.
Traditionskritik ohne Philologie
Dass Wendlandt für die Machart der inkriminierten Szene die humorkritischen Fachbegriffe „Groteske“ und „Satire“ in Anschlag bringt, macht für Della die Sache nur noch schlimmer. Im drastischen Humor will der Sprachwächter ein Instrument der Verrohung und Enthemmung sehen: Das Argument, mit dem kürzlich eine polizeikritische Kolumne in der „taz“ zum Fall für den Staatsanwalt erklärt wurde, kehrt hier auf der emanzipatorischen Seite des politischen Spektrums wieder. Aber inwiefern normalisiert der N-Wortwechsel in „Otto – Der Film“ die Ungleichbehandlung von Menschen dunklerer Hautfarbe? Lachen konnte man schon 1985 über die Szene nur unter der Voraussetzung, dass es alles andere als normal war, einen Afroamerikaner als „Neger“ anzusprechen.
„Traditionen, die diskriminieren, verletzen und ausgrenzen, sind nicht erhaltenswert.“ Diese Forderung Dellas ist nicht kontrovers. Nur wo sind im Drehbuch, das wie die Textbücher von Ottos Bühnenshows ein Gemeinschaftswerk von Bernd Eilert, Robert Gernhardt und Peter Knorr ist, die Spurenelemente der bösen Tradition? Handwerklich gesehen, haben wir es tatsächlich mit einem Traditionsprodukt zu tun, einem Stück Wertarbeit, die im Witzgewerbe oft in der kunstgerechten Übernahme besteht, hier: einem Fall von geistigem Diebstahl aus dem eigenen Bestand. Wort für Wort kopiert der Kino-Dialog eine Bildgeschichte von Robert Gernhardt, die unter dem Titel „Herr Haubold klärt auf“ gedruckt wurde.
Wie man es bei einem Lehrstückchen aus der Neuen Frankfurter Schule erwarten darf, tritt an Herrn Haubolds Projekt in der diskursiven Praxis die Dialektik der Aufklärung ans Licht. Herr Haubold, den sein Name als einen recht ungeschlachten Zeitgenossen ausweist, mithin als deutschen Normalbürger gemäß den Konventionen der Satire, glaubt etwas Evidentes auszusprechen, indem er seinen Nachbarn am Wirtshaustisch als „Neger“ apostrophiert. Dass unter dieser Prämisse die Anrede überflüssig wäre, ist der erste komische Zug in der heiteren Untersuchung einer kommunikativen Pathologie.
Auf Nachfrage erklärt sich Herr Haubold (nicht bloß Haubold; er wird ironisch als Respektsperson behandelt) mit einer primitiven Lexikondefinition, die den „Neger“ an dessen augenfälligem Bestimmungsmerkmal festmacht beziehungsweise an einer redundanten Aufzählung von Wiederholungen des Merkmals. Schon beim dritten Punkt rutscht der Aufklärer aus der Sphäre offenkundiger Wahrnehmungstatsachen ins Halbdunkel des bloß Erschlossenen ab – und dadurch macht er die Wende der Begebenheit möglich, die Pointe, dass der blitzschnell lernende, durch und durch helle Schüler in Herrn Haubold das Lehrbuchbeispiel für den von ihm explizierten Begriff erkennt.
Eine menschenfreundliche Erfindung
Der absichtsvoll schlicht gestaltete, im formgesetzlichen Sinne volkstümliche Witz geht auf Kosten des Mannes, der die Menschen nach Farben sortiert. Allenfalls könnte man das Bedenken äußern, dass Haubold mit Schoppen und Aschenbecher als gemütliche, eigentlich gutmütige Figur den Rassismus verharmlose. Aber Gernhardt und Otto erheben mit ihren Zeigefingerübungen für Freunde der leichten Muse nicht den Anspruch, das Phänomen in der ganzen Unheimlichkeit zu erfassen.
Am schönsten an Gernhardts Blatt ist das Verdutzte des Angesprochenen, der mit seinem zünftigen Hut mit Gamsbart (könnte eine Anspielung auf den „Tirolerhut“ des Jazztrompeters Billy Mo beabsichtigt sein?) perfekt integriert ist. Er versteht das N-Wort gar nicht. Die Menschenfreundlichkeit dieser Erfindung sollte vergnügt stimmen können, auch wenn uns die Satire utopisch erscheint.