Das Herrschervolk regiert noch in den Köpfen
- -Aktualisiert am
Kolonialismus auf dem Schirm: Als Wladimir Putin am Ende des Jahres 2014 eine Pressekonferenz gab, hatte er die Halbinsel Krim in die Landkarten der Russischen Föderation längst integriert. Bild: AP
Die Dekolonisierung der russischen Geschichte ist nötig, um die Entstalinisierung zum Abschluss zu bringen. Ein Gastbeitrag.
Dem 2019 verstorbenen amerikanischen Historiker Mark von Hagen ist es wesentlich zu verdanken, dass die Geschichte der Ukraine ernst genommen wird. Der Artikel mit dem provokanten Titel „Does Ukraine Have a History?“, den er 1995 in der „Slavic Review“ publizierte, war insbesondere an westliche Historiker gerichtet. Von Hagen hat später immer wieder erzählt, dass er über seine Beschäftigung mit der Ukraine und durch den engen Kontakt mit ukrainischen Forschern eine Art innere Dekolonialisierung als Historiker durchlaufen habe.
Er begann Quellen in Ukrainisch zu lesen und neue Kontexte zu entdecken. Unverständliches Material erhielt plötzlich einen neuen Sinn. Als angesehener Professor wusste er genau, dass man sich mit einer derartigen Confessio in der Historikerzunft dem Vorwurf der Unprofessionalität und des oberflächlichen politischen Aktivismus aussetzt. Aber er bestand darauf, dass ihn seine Zuwendung zur Ukraine zu einem besseren Erforscher des Russischen Reichs und der Sowjetunion insgesamt gemacht habe. Er wollte einer jüngeren Generation Mut machen, eigene Wege abseits der Zentralstellung des Russischen in den Osteuropastudien zu gehen.
Zugang zu allen exklusiven F+Artikeln
2,95 € / Woche
- Alle wichtigen Hintergründe zu den aktuellen Entwicklungen
- Mehr als 1.000 F+Artikel mtl.
- Mit einem Klick online kündbar
Login für Digital-Abonnenten
Sie haben Zugriff mit Ihrem F+ oder F.A.Z. Digital-Abo