Das historische Komplott
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Alles fake? Eine Nachbildung der Akropolis in Peking Bild: Picture-Alliance
Auch in China gibt es Querdenker, die gegen den Mainstream anrennen: Der ganze Westen sei eine missratene Kopie Chinas, behaupten sie.
Es ist die Zeit des Argwohns. Auf der ganzen Welt scheinen es momentan noch mehr Menschen als sonst plausibel zu finden, dass sich hinter der allgemein für wirklich und vernünftig gehaltenen Welt irgendeine andere, düstere Wahrheit verbirgt, ob es nun ein Kindermissbrauchsring liberaler Eliten oder das Demokratiezerstörungsprojekt der globalen Corona-Politik ist. All diese Verdächtigungen verblassen aber gegenüber der „historischen Verschwörung“, die ein Kreis von chinesischen Intellektuellen aufgedeckt haben will: Die gesamte westliche Kultur, die ja immer noch den Rahmen des Weltsystems liefert, beruhe in Wirklichkeit auf Täuschung, Fälschung, Abkupferei. Dass die westliche Kultur selbst von diesem Vorwurf überhaupt Kenntnis erhielt, ist einer englischsprachigen Website aus Taiwan (taiwanenglishnews.com) zu verdanken. Diese berichtete kürzlich über die online gestellte Vorlesung eines Kulturwissenschaftlers der renommierten Zhejiang- Universität, der die ägyptischen Pyramiden ebenso wie das Parthenon in Athen für Fabrikationen europäischer Geostrategen im neunzehnten Jahrhundert hält, um damit China seinen Rang als erste frühe Hochkultur zu bestreiten.
Doch das ist nur die Spitze eines ganzen Eisbergs sich ausschließlich auf Chinesisch artikulierender Verschwörungstheorien, der für den Westen jahrelang unsichtbar geblieben ist. Seit 2013 veröffentlicht ein Zirkel von Professoren und Amateurhistorikern Bücher, in denen die Ursprünge der europäischen Kultur als ein einziger nachträglich hergestellter Fake dargestellt werden. Den Anfang machten die Blogeinträge des emeritierten, früher an der Pekinger Akademie für Sozialwissenschaften forschenden Historikers He Xin, die er später zu dem Buch „Die Pseudogeschichte Griechenlands“ zusammenfasste. Die sogenannte antike griechische Philosophie sei eine Fiktion der Renaissance; Aristoteles, Homer und Konsorten seien in ihrer heute geläufigen Gestalt von „freimaurerischen italienischen Bankiers und Gelehrten“ erfunden worden.
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