Denkmalstreit in Prag : Die Verräter sind die anderen
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Mal wieder mit roter Farbe beschmiert: das Denkmal für Marschall Konew auf dem Interbrigandenplatz im sechsten Prager Stadtbezirk am 23. August 2019 Bild: Ullstein
Es ist ein Krieg der Erinnerungen: Um die Prager Statue des Sowjetmarschalls Iwan Konew entbrannte eine heftige Kontroverse. Auch russische und tschechische Diplomaten mischen mit.
Beide halten ihr Geschichtsbild für richtig und im tschechischen Sinne patriotisch. Doch die Standpunkte von Jiří Černohorský und Ondřej Kolář sind konträr. Černohorský kämpft für das Denkmal des sowjetrussischen Marschalls Iwan Konew. Für ihn hat der Heerführer 1945 Prag und die Tschechen befreit. Vor zweieinhalb Wochen versammelte er zweihundert Gleichgesinnte um die Statue und griff Kolář, den Bezirksbürgermeister, scharf an: Dieser sei ein „Kollaborateur“ Brüssels und des Westens. Der Grund war, dass der Lokalpolitiker Konew mit einer Plane verhüllen ließ. Zuvor hatten Unbekannte die Statue am 51. Jahrestag des Einmarschs der Warschauer-Pakt-Truppen mit roter Farbe beschmiert und auf den Sockel geschrieben: „Nein zum blutigen Marschall!“.

Volontär.
Das Schauspiel wiederhole sich jedes Jahr, schrieb Kolář nach dem Vandalenakt auf Facebook. Einmal mehr werde er der russischen Botschaft anbieten, den Marschall auf ihr Grundstück zu verfrachten. Doch die Botschaft teilte mit, die Bezirksleitung habe die Tat mit einer 2018 angebrachten Tafel „provoziert“. Sie enthalte „Spekulationen“ über die Rolle Konews vor jener Invasion, die den Prager Reformfrühling von 1968 beendete.
Fragwürdige „Antifaschisten“
Nachdem Kolář die Statue reinigen, aber auch verhüllen ließ, entbrannte der Streit erst richtig. An der Kundgebung Černohorskýs nahm Jiří Ovčáček teil, der Sprecher des tschechischen Präsidenten Miloš Zeman. Er nehme mit dem „Segen“ des Präsidenten teil, versichert er den Mitdemonstranten. Zu denen gehörte laut dem Wochenmagazin „Respekt“ der verurteilte Antisemit Adam B. Bartoš, außerdem Andrea Krulišová, die eine paramilitärische Splittergruppe anführt und Medienberichten zufolge davon sprach, Angehörige der Roma-Minderheit töten zu wollen. Dieselben Protestierenden hätten „Nein zum Faschismus!“ und „Nichts als die Nation!“ gerufen, wunderte sich die Tageszeitung „Deník N“.
Extremismus in den eigenen Reihen hält Konews Verteidiger nicht davon ab, sich als „Antifaschisten“ zu präsentieren. Darin bestärkte sie der russische Kulturminister Wladimir Medinski, der Bezirksbürgermeister Kolář als „Gauleiter“ schmähte. Während Präsidentensprecher Ovčáček Verständnis äußerte, verlangte der tschechische Außenminister Tomáš Petříček eine Entschuldigung. Die liberale Zeitschrift „Respekt“ nennt die Auseinandersetzung gar einen „Test“, wie viel die tschechische Öffentlichkeit von Russland „zu ertragen bereit sei“. Der Vorwurf nationalen Verrats lässt sich von beiden Konfliktseiten her denken.
Die Wirren im Streit um die Geschichte erklärt Jaromír Mrňka, Historiker am Prager Institut für das Studium totalitärer Regime. Er sagt, die Debatte um Konew spiegele einen Trend der letzten Jahre. Vor allem in Prag seien Lokalpolitiker immer weniger bereit, eine kommunistisch geprägte Erinnerungskultur mitzutragen. Als Beispiel nennt Mrňka die im August von Prags Stadtparlament getroffene Entscheidung, eine Plakette, die an die „Befreiung Prags“ durch Konews Truppen erinnert, am Altstädter Rathaus nicht wieder aufzuhängen. Prags Oberbürgermeister Zdeněk Hřib erklärte, sie ignoriere den Prager Aufstand.