Koloniales Erbe und liberaler Mythos
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Unrechtmäßig entnommen: Das hölzerne Objekt aus dem Ethnologischen Museum Berlin wird an die Chugach Alaska Corporation zurückgegeben. Bild: dpa
Wer den Postkolonialismus zu einer größeren Bedrohung erklärt als die AfD, dem sind die Maßstäbe verrutscht. Eine Replik auf Horst Bredekamp zur Debatte um das Humboldt-Forum.
Selten war die Diskrepanz zwischen Form und Inhalt so groß wie die zwischen dem Humboldt-Forum und seiner Botschaft, ein „Universalmuseum“ zu sein. Die Rekonstruktion eines preußischen Schlosses zur Präsentation von Objekten aus ehemaligen deutschen und anderen europäischen Kolonien lässt sich mit einem universalistischen Anspruch kaum vereinbaren. Vielmehr trägt eine solche Inszenierung dazu bei, die imperiale Vergangenheit zu glorifizieren. Der Kunsthistoriker Horst Bredekamp, einer der drei Gründungsintendanten des Forums, weist diese Kritik seit Jahren zurück. In seinem jüngsten Beitrag in der F.A.Z. stellte er das Humboldt-Forum in die Tradition dessen, was er als „liberale“ Ethnologie bezeichnet.
Diese – nach Bredekamp spezifisch deutsche – Tradition soll nicht nur der deutschen Kolonialzeit, sondern der deutschen Nation selbst vorausgehen: „die Tradition des Revolutionärs Georg Forster, der Brüder Humboldt und jüdischer Gelehrter wie Moritz Lazarus und Heymann Steinthal“. Bredekamp versucht so, die Geschichte der Ethnologie zu einer rein geistigen Ideengeschichte zu erheben, ohne sich mit ihren konkreten Verstrickungen mit den Orten imperialer Expansion oder kolonialer Plünderung aufzuhalten – für die gibt er anderen europäischen Mächten die Schuld. Bredekamp spricht von einer „antikolonialen“ Tradition, einer „antikaiserlichen Sammlung“.
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