Der Übereifer vor dem Tod
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Das Anatomische Modell eines Menschen in der Medizinischen Hochschule Hannover (Archivbild). Bild: dpa
Hierüber wird wenn überhaupt nur abstrakt aufgeklärt: Mögliche Organspender müssen sich gefallen lassen, dass ihr Sterben intensivmedizinisch verlängert wird – allein um der Interessen Dritter willen.
Das neue Transplantationsgesetz, das am 1. April in Kraft treten soll, verfolgt ein ehrenwertes Ziel: die Zahl verfügbarer Organe für Transplantationen zu vermehren. Und dennoch ist das neue Gesetz ein Lehrstück medizinethischen Dammbruchs. Jetzt werden – zwei Jahrzehnte nach der Verabschiedung eines ersten Transplantationsgesetzes – die Hürden abgeräumt, die gegen einen ausschließlich den Interessen Dritter dienenden Umgang mit Sterbenden aufgerichtet waren. Seinerzeit wurden ethisch sensible Gemüter beruhigt mit dem Hinweis, dass Ärzte, die den Hirntod diagnostizieren, keinesfalls an der Transplantation mitwirken dürfen. So sollte Interessenkonflikten vorgebeugt werden. Damals erklärte der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, die Regelung schaffe „größtmögliche Sicherheit für die Verstorbenen und ihre Angehörigen, dass keine Manipulationen gegen die Interessen des Organspenders vorgenommen werden können“.
Das sieht nun anders aus. Das Prinzip, Interessen hirngeschädigter Patienten vor ihrem Tod von denen der Empfänger von Organen sorgsam auseinanderzuhalten, wird durch die neue Rolle der Transplantationsbeauftragten unterlaufen. Denn jetzt sollen die bisher mit der Abwicklung einer Transplantation nach Todesfeststellung in der Klinik beauftragten Ärzte die noch lebenden Patienten auf den Intensiv- und Notfallstationen inspizieren. Jetzt wird geprüft, ob man in aussichtsloser Lage nicht doch ein wenig länger behandeln kann – so lange, bis endlich der Hirntod eintritt. Nur haben die sogenannten potentiellen Spender persönlich davon nichts, ihr Sterben wird lediglich verlängert. Hinzu kommt, dass Personen, die zu Lebzeiten in eine Organspende eingewilligt haben, über diese Variante der Organspende – die intensivmedizinische Verlängerung des eigenen Sterbens allein zugunsten Dritter – wenn überhaupt, dann nur abstrakt aufgeklärt werden.
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