Muslimisch-jüdische Kolumne : Was Integration mit unserer Küche zu tun hat
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Das syrische Familienunternehmen Patisserie de l’Arabie verkauft in Frankfurt Baklava und anderes syrisches Gebäck. Bild: Vogl, Daniel
Currywurst, Döner und gefillte Fisch: Seit Jahrzehnten wissen wir, dass Deutschland Zuwanderung braucht, um die Gesellschaft am Laufen zu halten. Wann wird aus uns allen ein großes Wir?
In Zeiten, in denen alles unberechenbar geworden ist, könnte man meinen, dass uns etwas Routine guttun würde. Zum Beispiel in Diskussionen, die schon mehrfach geführt wurden und deren Ausgang schon feststeht, bevor sie wieder beginnen. Alle Beteiligten spielen ihre Rollen nach einem bestimmten Drehbuch, ohne sich allzu viele Gedanken machen zu müssen. Als Ehepaar haben wir auch so unsere Readymade-Gespräche. Der Klassiker bei uns: Die Küche – brauchen wir eine neue?
Der Auslöser variiert: Mal ist es die Dunstabzugshaube, die genau dann ihren Geist aufgibt, wenn das pakistanische Gericht köchelt; mal fällt die Schublade fast auseinander, wenn man nur schnell noch einen Löffel holen will. Was auch immer es ist, schnell sind wir beide in unserem Element mit den altbewährten Argumenten und Gegenargumenten: „längst überfällig“, „zu teuer“, „wir sind doch nicht mehr im Kibbuz“, „irgendwann ziehen wir sowieso um“. Nach einigen Runden ist die Energie raus, nur eines ist sicher: dass es bald wieder von Neuem losgehen wird.
Wo bleibt der Erkenntnisgewinn?
Das ist nicht nur bei uns zu Hause so. Öffentliche Diskussionen laufen kaum anders ab – nehmen wir die Debatte um die Silvesternacht. Nachdem Polizisten und Rettungskräfte in Berlin von Jugendlichen mit Böllern angegriffen wurden, sprechen alle wieder über junge Migranten und die (vermeintlich) gescheiterte Integrationspolitik. Nichts Neues: Wie mit unserer Küche wird auch diese Debatte in der x-ten Runde keine neue Erkenntnis bringen. Die Gattung Integrationsdebatte ist zwar keine deutsche Erfindung, doch wurde sie hier scheinbar perfektioniert. Die Formel ist einfach: Geschieht eine Gewalttat durch junge Männer mit Migrationshintergrund, folgt die öffentliche Empörung in den Medien, vorneweg in der Springer-Presse. Dann eilen Politiker und Integrationsexperten in die Talkshows und fordern im pawlowschen Reflex: „Konsequenzen!“ Es wird über die Herkunftskultur der „Migrantenkinder“ geklagt, die hierzulande so viele Probleme bereitet.
Der Subtext: Das normative „gute“ Verhalten sei „deutsche Kultur“, abweichendes „schlechtes“ Verhalten wird als „ausländische Kultur“ externalisiert. Ganz vorne dabei: Friedrich Merz. Zuletzt nahm der CDU-Chef in der Talkrunde von Markus Lanz die Krawalle in Berlin zum Anlass, Ressentiments freien Lauf zu lassen, verpackt als Solidarität mit deutschen Lehrerinnen: Angeblich würden diese von vielen migrantischen Schülern nämlich nicht anerkannt werden. Ihre Väter würden in den Schulen erscheinen, wenn ihre Kinder von Lehrkräften kritisiert würden. „Insbesondere, wenn es sich um Lehrerinnen handelt, dass sie ihre Söhne, die kleinen Paschas, da mal etwas zurechtweisen.“