Der Sinn der Selbstverteidigung
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Häuser und Städte können von russischen Raketen zerstört werden; die Begriffe des Völkerrechts nicht. Rettungsarbeiten in Dnipro am 15. Januar 2023 Bild: Reuters
Es gibt keine Entmoralisierung des Völkerrechts: Das Gewaltverbot ist im Recht ebenso wie in der Ethik festgeschrieben. Noch eine Replik auf den Beitrag von Reinhard Merkel.
Reinhard Merkel hat am 28. Dezember 2022 im Feuilleton der F.A.Z. eine ethische Pflicht der Ukraine konstatiert, sich ohne Vorbedingungen auf Verhandlungen mit Russland einzulassen. Diese Pflicht bestehe unbeschadet des völkerrechtlichen Selbstverteidigungsrechts, das der Ukraine eine Fortsetzung der Kampfhandlungen gestatte. Diese These wirft die Frage nach dem Verhältnis zwischen (Völker-)Recht und Ethik auf, die in den Twitter-Debatten zu Merkels Text nicht mit der notwendigen Tiefe beleuchtet worden sind. Nach meinem Verständnis ergeben sich aus diesem Verhältnis gewichtige Einwände gegen Merkels These.
Merkel bezieht in seinem Text nicht ausdrücklich Stellung zum Verhältnis zwischen Ethik und Recht. Helmut Philipp Aust hat in seiner in der F.A.Z. am 2. Januar publizierten Replik herausgearbeitet, wie Merkels Position zwischen völkerrechtlichen und ethischen Prämissen oszilliert. Ethische Prämissen werden gegen völkerrechtliche Normen gewendet, dann aber wieder durch Verweis auf andere völkerrechtliche Normen bekräftigt. Daraus ergibt sich ein Bild von Ethik und Recht als autonome Systeme. Nach Merkel hat das moderne Völkerrecht das Gewaltverbot „entmoralisiert“. Darrel Moellendorf pflichtet ihm in seiner am 17. Januar an gleicher Stelle erschienenen Erwiderung insoweit bei.
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