Schinkels Bauakademie : Kunst ist überhaupt nichts, wenn sie nicht neu ist
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So könnte die Rekonstruktion aussehen: Modell von Schinkels Bauakademie. Bild: dpa
Soll man Schinkels Bauakademie wieder aufbauen – oder sie aktualisieren? Sie muss in unserer Zeit den geistigen Ort ausfüllen können, der einmal mit ihrer Institution verbunden war. Ein Gastbeitrag.
Stellen Sie sich vor, ein prominenter Architekt würde – sagen wir, am Hofgarten in München oder auf den Odeonsplatz – im Auftrag des Freistaats ein unübersehbar großes, kistenförmiges Gebäude errichten und dort eine Ausbildungsstätte für digitale Technik in Industrie und Alltag mit Spezialisierung auf smart cities eröffnen. Das Gebäude wäre zwar kunstvoll gestaltet, aber – in extremem Kontrast zur Umgebung – ganz aus Stahl, Blech und Glas und all den anderen zeitgenössischen Materialien konstruiert, die man so kennt von Logistikzentren, Gewerbeparks und Hangars am Flughafen und anderswo.
So oder so ähnlich muss man sich die Situation in die Gegenwart übersetzen, die nach 1830 in Berlin entstand, als zwischen dem Westflügel des Berliner Stadtschlosses und der barocken Stadterweiterung Friedrichs I. das unübersehbare Volumen der Bauakademie emporwuchs. Die Stadt bestand damals in der Mehrzahl aus bescheidenen Wohnhäusern mit wenigen verputzten Geschossen und einem großen Mansarddach. Die viergeschossige Bauakademie fiel nicht nur wegen ihrer dominanten Höhe und ihres abstrakten Volumens, sondern vor allem wegen ihrer Farbe und Materialität vollkommen aus dem Rahmen. Das „erste maßgebliche profane Rohziegelgebäude in Preußen“ (Hermann Parzinger) war stark beeinflusst von dem, was Schinkel zuvor auf Reisen nach Manchester und anderen englischen und schottischen Industriestädten gesehen hatte. „Es macht einen schrecklich unheimlichen Eindruck: ungeheure Baumasse von nur Werkmeistern ohne Architektur und fürs nackteste Bedürfnis allein und aus rotem Backstein aufgeführt“, notiert Schinkel 1826 ebenso schockiert wie fasziniert in sein Tagebuch.
Klagen über die schlechte Luft in den Hörsälen
Aber als es ein paar Jahre später darum ging, für die preußische Bauakademie ein permanentes Zuhause zu planen und realisieren, machte er diesen Bau zu einem Ausstellungsstück der neuesten Bautechniken und Architekturtendenzen, die er eben auf jener Reise gesehen hatte. Nicht nur die Ästhetik, sondern auch die Herstellungsmethoden dieses Gebäudes brachen mit überkommenen Konventionen. Proto-industrialisierte Fertigung von Teilen des Rohbaus und der Fassade antizipierten schon damals die heute beim Bau übliche Verbindung von Industrie und Handwerk. Das Mauerwerksskelett nahm Konstruktionen vorweg, die später zu den ersten Hochhäusern in Chicago führten. Ein hochinnovatives und ausgeklügeltes konstruktives System aus stählernen Zugbändern garantierte die Statik dieses riesigen Mauerwerksbergs in dem extrem unzuverlässigen Baugrund am Friedrichswerder so erfolgreich, dass die gemauerte Außenhaut des Gebäudes mehr oder weniger unversehrt die Bombardements des Zweiten Weltkrieges überstand. Wie schwierig der Baugrund hier tatsächlich ist, haben Ingenieure unlängst am eigenen Leib erfahren müssen, als die Gründungsarbeiten an in unmittelbarer Nähe errichteten Luxusapartments schwere Schäden an der benachbarten Friedrichswerderschen Kirche verursachten.