Vergangenheitslust, Vergangenheitslast
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Damals wusste noch niemand etwas vom „Tag von Potsdam“: Die Garnisonskirche auf einem 1827 entstandenen Ölgemälde von Carl Hasenpflug. Bild: picture alliance / akg-images
Befürworter und Gegner des Wiederaufbaus der Potsdamer Garnisonkirche haben mehr gemeinsam, als sie wahrhaben wollen. Beide klammern sich aus Furcht vor der Zukunft an das, was gewesen ist. Ein Gastbeitrag
Einem aus der Reihe getretenen Riesengardisten gleich erhebt sich der mittlerweile an die sechzig Meter hohe Turm der wiedererstehenden Potsdamer Garnisonkirche. Sein sperrig über die Bauflucht hinausragender Baukörper hat den Autoverkehr auf der westlichen Magistrale Potsdams spürbar zu hemmen begonnen. Verkehrstechnisch erschließt sich der Sinn dieses Unterfangens nicht, geschichtspolitisch bildet er den Gegenstand eines andauernden Streits, dessen zunehmende Härte mit der wachsenden Höhe des Bauwerks tapfer Schritt hält.
Jüngst erst hat der Denkmalpfleger Andreas Kitschke den kompletten Wiederaufbau des im Krieg zerstörten und 1968 abgetragenen Gotteshauses als Verbeugung vor der Leistung seines barocken Erbauers Philipp Gerlach gerühmt, die den architektonischen Rang der einstigen Residenzstadt zurückruft (F.A.Z. vom 1. November). Dem widersprach der Kasseler Architekturhistoriker Philipp Oswalt mit dem Argument, die Garnisonkirche sei nie ein Haus der Demokratie, sondern seit je ein Symbolort reaktionärer Kräfte gewesen (F.A.Z. vom 10. November). Ihre mit geschichtsrevisionistischen Argumenten und alternativen Fakten vorangetriebene Rekonstruktion gelte in Wahrheit der Wiederherstellung einer Weihestätte des preußischen Militarismus, an der die NS-Führung obendrein mit dem „Tag von Potsdam“ am 21. März 1933 einen herausragenden Triumph gefeiert habe.
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