Sensationsfund : Geheime Briefe von Maria Stuart entschlüsselt
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Mary’s Secret: Die Dechiffrierung eines Briefes der Maria Stuart Bild: G. Lasry, N. Biermann,S. Tomokiyo, „Deciphering Mary Stuart’s lost letters, Cryptologia (2023)
Kryptoanalytiker haben chiffrierte Briefe Maria Stuarts gefunden und entschlüsselt. Sie stießen auf die Schriftstücke in der französischen Nationalbibliothek.
Fünfzig bisher unbekannte verschlüsselte Briefe, verfasst zwischen 1578 und 1584 von der schottischen Königin Maria Stuart, sind von einem dreiköpfigen Team um den israelischen Kryptoanalytiker George Lasry entdeckt und decodiert worden. Das Trio war auf die Schriftstücke in einem online zugänglichen Archiv für verschlüsselte Dokumente der Bibliothèque Nationale de France gestoßen, wo sie fälschlicherweise als mit Italien befasste Schriftstücke aus der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts abgelegt waren.
Wie Lasry und Kollegen in einer heute erscheinenden Spezialausgabe der Fachzeitschrift „Cryptologia“ berichten, ergaben erste Entschlüsselungsversuche der Forscher, dass die Texte auf Französisch abgefasst waren und viele Feminina enthielten. Schließlich tauchte der Name Walsingham auf und offenbarte den Zusammenhang mit Maria Stuart.
Briefe an den französischen Botschafter in London
Sir Francis Walsingham war Sekretär der Königin Elisabeth I. von England, welche die mit ihr verwandte Maria Stuart achtzehn Jahre lange gefangen halten und am 8. Februar 1587 hinrichten ließ. Dass Maria in der Gefangenschaft verschlüsselte Briefe an ihre Unterstützer herausschmuggeln ließ, war bereits belegt, doch nur ein Teil des Materials war bekannt. Die meisten der nun entdeckten Briefe waren an den französischen Botschafter in London, Michel de Castelnau, adressiert und drehen sich unter anderem um Marias Misstrauen gegen Walsingham, der mit ihrer Beaufsichtigung betraut war, sowie gegen Elisabeths Aufrichtigkeit bei den Verhandlungen um eine Freilassung Marias, aber auch um ihre Gesundheitsprobleme sowie ihr Gefühl, von Frankreich im Stich gelassen worden zu sein.
Die entschlüsselten Briefe geben auch Einblicke in Marias Wahrnehmung individueller Parteigänger. „Versichert Archibald Douglas meine anhaltende Verärgerung über die unwürdige und schlechte Behandlung, die ihm (aufgrund seines Handelns) in meinem Namen zuteil wurde, was ich als klaren Beweis seiner Loyalität und seiner ernsthaften Absichten mir gegenüber werte“, schreibt Maria am 5. Mai 1583. In einem nur teilweise chiffrierten Brief vom 30. Oktober 1584 dagegen findet sich unter den verschlüsselten Passagen auch diese: „Seid auf der Hut vor Archibald Douglas, denn er war nicht so aufrichtig, wie er Euch glauben lässt.“
Der Historiker John Guy aus Cambridge wertet die Entdeckung in einer Pressemitteilung seiner Universität als bedeutenden Fund. „Die Briefe zeigen, dass Maria in der Zeit ihrer Gefangenschaft die politischen Angelegenheiten in Schottland, England und Frankreich genau verfolgte und sich aktiv daran beteiligte“, schreibt John Guy. „Und, dass sie – entweder direkt oder durch Castelnau – in regelmäßigem Kontakt mit vielen der führenden politischen Figuren am Hofe Elisabeths I. stand.“