Darf ein Politiker noch philosophieren?
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Diagnostiziert bei der akademischen Intelligenz einen Doppelstandard in der Auslegung von Toleranzgrenzen: der AfD-Kulturpolitiker Marc Jongen Bild: dpa
Selbstexperiment: Der AfD-Abgeordnete Marc Jongen hält an der Universität Siegen seinen umstrittenen Vortrag zur Redefreiheit. Die Polizei war alarmiert.
„Noch keine Lage“, sagt der Mann von der Polizei. Ein Dutzend Polizeiwagen ist aus Wuppertal an die Universität Siegen gekommen. Ein Sicherheitsdienst kontrolliert das Tagungszentrum. Ausweis- und Taschenkontrolle. Ein Flashmob, heißt es, will den Zugang blockieren. Universitätsrektor Holger Burckhart hat den Abbruch der Veranstaltung angekündigt, falls Emotionen aus dem Ruder laufen. Kommt es zum Ernstfall? Der Einsatzleiter sagt: „Wahrscheinlich nicht.“
Im Konferenzsaal sitzt der Philosophiedozent und AfD-Kulturpolitiker Marc Jongen, ins Manuskript vertieft. Gebannte Stille. Dann tritt Holger Burckhart, der Siegener Rektor, spontan ans Podium. Es sei eine wichtige Veranstaltung, sagt er, die er ermöglichen werde; einschreiten werde er nur, wenn es ziemlich extrem werde. Kaum zu glauben, dass er sie noch vor Wochen der rechten Propaganda zugeordnet und sich öffentlich von ihr distanziert hatte (F.A.Z. vom 19. Oktober). Durch die Universität läuft seither ein Graben. Das Seminar zur Redefreiheit, das der Philosophieprofessor Dieter Schönecker initiiert hat, und in dem nach Jongen auch Thilo Sarrazin noch zu Wort kommen soll, ist zum Experiment über die Grenzen der Redefreiheit an der Universität geworden.
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