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Habeck bei Maischberger : Den Bäcker im Nacken

Wiederholt sich gerne: Robert Habeck Bild: WDR/Oliver Ziebe

Robert Habeck veranstaltete bei Maischberger ein rhetorisches Verwirrspiel, um zu verdecken, wer beim Entlastungspaket auf der Strecke bleibt. Er wurde trotzdem erwischt.

          3 Min.

          Wenn Robert Habeck „Was ich damit sagen will“ sagt, sagt er meist etwas anderes als das zuvor Gesagte. Darauf ist man erst einmal nicht vorbereitet. „Was ich damit sagen will“ ist eigentlich ein rhetorisches Signal, dasselbe nun noch einmal zu sagen, nur einfacher. Habeck indessen flieht mit der vorgeblichen Verständnishilfe „Was ich damit sagen will“ aus einem Verwirrspiel mit Komplexitäten, die er zuvor entfaltet hat, um Ungereimtes zu zerreden.

          Christian Geyer-Hindemith
          Redakteur im Feuilleton.

          Ach so, denkt man sich, eben noch stutzig geworden, als Widersprüchliches in einem Meer von Unterscheidungen abzusaufen drohte. Ach so, Habeck wollte damit also im Grunde nur dies und jenes sagen – na dann! Na dann möchte man den Wirtschaftsminister nicht weiter stören, nicht noch einmal nachfragen, nicht auf Fehler in der vorangegangenen Argumentation aufmerksam machen.

          Bei Maischberger verfing der Habeck-Dreh nicht. Frau Maischberger war kaltblütig genug, den Wirtschaftsminister beim Wort zu nehmen, als er auch in dieser Sendung mehrfach versuchte, die Spur seiner Worte zu verwischen, indem er sagte: „Was ich damit sagen will“. Anders gesagt: Beim Bäcker angekommen, war für Habeck Ende Gelände.

          Es ging um den Befund, dass das jüngst beschlossene Entlastungspaket den Mittelstand im Regen stehen lässt, wie es ein eingeblendetes Zitat vom Deutschen Mittelstandsbund verdeutlicht: „Mit der Mehrwertsteuersenkung auf Gas oder der bislang kaum konkretisierten Strompreisbremse werden vorrangig Privatverbraucher entlastet. Ein energieintensiver Bäckereibetrieb zum Beispiel bleibt bei den Entlastungsmaßnahmen nahezu komplett auf der Strecke.“

          Was will Habeck damit sagen?

          Habeck wies den mittelständischen Einwand erst einmal zurück. Dabei drehte er das Argument der Mittelständler, durch das Netz der Entlastungen zu fallen, also vom Hilfspaket der Bundesregierung gar nicht erwischt zu werden, einfach um. Das augenscheinliche Versäumnis wurde damit gerechtfertigt, dass man zunächst eine Feineinstellung der Förderung vornehmen wolle, weil anderenfalls zu befürchten sei, dass besagter Bäckereibetrieb nicht erwischt werde. Habeck sieht zwar, dass es bei einer insgesamt kostspieligen Produktion die hohen Energiekosten sind, die – „wie der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt“ – einen mittelständischen Betrieb nun schachmatt setzen können.

          Statt diesen Betrieb, dessen Kostenfass gerade überzulaufen droht, mit einer wie auch immer betitelten Beihilfe zu entlasten und damit zu erwischen, möchte Habeck sich zunächst den Kopf des Bäckers zerbrechen, wofür genau dieser den Zuschuss verwendet, ob für die Kosten von Walzen, Personal oder Energie: „Wenn man teilweise nur über die Energieanteile am Umsatz geht, erwischt man die Branchen gar nicht, weil andere Kosten so viel höher sind.“

          Man erwischt die Branchen aber nur dann nicht, wenn man ihnen gar nichts zahlt. Umgekehrt erwischt man sie, wenn man ihnen überhaupt etwas zahlt, und zwar ohne dass es dafür einer genau ausgearbeiteten Spezifizierung bedürfte, wie sie Habeck vorschwebt – gleichsam als Bedingung für eine bürokratisch sauber rubrizierte Unterstützung, welche wiederum, versteht man den Wirtschaftsminister recht, allein in der Lage ist, Zielgenauigkeit zu sichern, um eine Bäckerei vor der Pleite zu bewahren.

          Gut gemacht oder nur gut geglaubt?

          Was er damit sagen wolle, so sagte Habeck, einerseits das bisherige Versäumnis rhetorisch verdeckend, andererseits Zeit gewinnend für eine nachholende Mittelstandsförderung, sei folgendes: „dass die Energiepreisdämpfungsprogramme auch geöffnet werden sollen für den Mittelstand, das passiert also jetzt“. Ach so, wenn das jetzt passiert, wenn es das ist, was Habeck sagen wollte, dann lassen wir es gut sein, dann soll Habecks zuvor dargelegte verwickelte Theorie des Erwischens nun nicht auf die Goldwaage gelegt werden.

          Habeck will damit erkennbar ja nur sagen, „dass wir kein Programm machen, wo wir (nur) glauben, wir haben was gutgemacht, und in Wahrheit erwischen wir die eigentlich Betroffenen nicht“. Wie gesagt, wird jede Bäckerei, deren Fass mit dem Tropfen der Energiekosten überläuft, in dem Moment zielgenau erwischt, wo sie ins Entlastungspaket aufgenommen wird, und das passiert ja jetzt, hört man Habeck sagen. Und wäre das dann nicht auch tatsächlich gut gemacht und nicht nur gut geglaubt? In diesem Tenor fasste Maischberger nach.

          Dergestalt, dass Habeck, den mittelständischen Bäcker im Nacken, abermals (womöglich ein letztes Mal?) vor der Aussicht erschrak, „dass man möglicherweise gar nicht die erwischt, die man erwischen muss, was ich also sagen will, ist: Wir arbeiten mit Hochdruck an der richtigen Lösung.“ Natürlich, theoretisch „könnte der Bäcker durch höhere Brötchenkosten seine Preise weitergeben, aber eben nur theoretisch, weil die Menschen dann ausweichen und sagen: dann kaufe ich halt beim Discounter oder Toastbrot.“ Und wer möchte das schon? Theoretisch möchte das niemand. Die Rettung des Bäckers ist Habecks erklärtes Ziel.

          Die handwerkliche Umsetzung dieses Ziels steht freilich noch aus. Dirk Wiese, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD, war kess genug, als er neulich mitteilte: “Das Prinzip Habeck geht so: Auftritt filmreif, handwerkliche Umsetzung bedenklich, und am Ende zahlt der Bürger drauf.“ Was ist in der Sache dran an dem Zitat? Bei Maischberger wurde es an die Studiowand projiziert. 

          Es heißt gelegentlich, ein nach Worten suchender, seine Worte erklärender Habeck lasse sich von den Menschen beim Denken zuschauen. Womit hier nur gesagt sein soll, dass Habecks Denken bei Maischberger vor aller Augen lag.

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