Projekt gesellschaftliche Umgestaltung
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Lorenzo Vidino ist Direktor des Programms für Extremismusforschung an der George-Washington-Universität in Washington. Seine wissenschaftlicher Schwerpunkt ist Islamismus in Europa und Nordamerika. Bild: Lumen Photo / VISUM
Der Extremismus-Forscher Lorenzo Vidino warnt davor, beim Thema Islamismus nur das Offensichtliche zu sehen. Ein Gespräch über den politischen Islam in Deutschland und dessen gefährlich unauffällige Vorreiter.
Herr Vidino, was in Europa halten Sie derzeit für gefährlicher: den Dschihadismus oder den sogenannten politischen Islam? Also die Militanten oder diejenigen, die auf politischem Wege ihre Vorstellungen durchsetzen wollen?
Es ist schwierig, beides miteinander zu vergleichen. Denn es sind zwei unterschiedliche Formen der Bedrohungen. Aber wenn ich wählen müsste, würde ich sagen, der „politische Islam“, den man auch „legalistischen Islamismus“ nennt, ist die größere Bedrohung.
Warum?
Weil er ein Projekt der langfristigen gesellschaftlichen Umgestaltung verfolgt. Natürlich sind Dschihadisten in allen Ländern Europas eine Bedrohung. Es ist aber eine andere Art von Problem, wenn hochgradig organisierte und sehr gut finanzierte Gruppen in den muslimischen Gemeinschaften eine Botschaft aussenden, die immer auf Folgendes hinausläuft: Wir sind anders, wir gehören nicht wirklich in diese Gesellschaft, wir haben andere Werte. Diese Botschaft ist hochgradig spaltend. Hinzu kommt ein Opfernarrativ, das einen fruchtbaren Boden für die Rekrutierung durch radikale, militante Gruppen schafft.
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