
Zeitschrift verboten : Recht, Haberei
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Muss jetzt ihre Satzung ändern: Berlins Akademie der Künste Bild: Christian Thiel
Das Literaturmagazin „Sinn und Form“ der Berliner Akademie der Künste darf wegen unklarer Finanzierung nicht mehr erscheinen. Das hat das Landgericht Berlin jetzt entschieden. Doch wem nützt dieses Urteil?
Von der Formel „Fiat iustitia et pereat mundus“, die Papst Hadrian VI. vor fünfhundert Jahren prägte, gibt es verschiedene Übersetzungen. Die gängigste lautet: Es soll Gerechtigkeit geschehen, und gehe dabei die Welt unter. Am Landgericht Berlin ist gerade ein dazu passendes Urteil gesprochen worden.
Im wettbewerbsrechtlichen Prozess zwischen Frank Berberich, dem Herausgeber der Debatten-Zeitschrift „Lettre international“, und der Berliner Akademie der Künste, wurde zugunsten des Klägers entschieden. Der sah seine publizistische Tätigkeit durch das von der Akademie finanzierte Literaturmagazin „Sinn und Form“ beeinträchtigt, weil die Akademie ihrerseits staatlich finanziert wird. Der Staat aber darf nicht durch eigene Publikationen in den Markt für Zeitungen und Zeitschriften eingreifen. Ergo ein Widerspruch.
Zwangspause bis zur Änderung der Satzung
Den beseitigt das Berliner Urteil allerdings nicht. Es lautet nämlich: Die Akademiesatzung bedarf einer ordnungsgemäßen Gebührenordnung für ihre Zeitschrift, und gehe ihres Fehlens halber auch der Teil der Welt unter, der „Sinn und Form“ heißt. Bis zu einer Satzungsänderung, schätzungsweise zwei Hefte lang, darf die Zeitschrift darum nicht mehr erscheinen.
Davon hat der Kläger nur das Recht. Ein weiterer Nutzen, etwa durch Leser oder Autoren, die nun zu ihm wandern, ist für ihn nicht zu erwarten. Ob es einen tatsächlichen Wettbewerb zwischen „Lettre international“ und „Sinn und Form“ gibt, ist fraglich und wurde vor Gericht auch nicht geklärt. Berberich hat im inhaltlichen Sinne auch keiner „Staatszeitschrift“ das Handwerk gelegt, denn „Sinn und Form“ hat seine staatsnahen Zeiten seit 1989 hinter sich. Selbst Sherlock Holmes fände bei der Lektüre keinen Staubfaden politischer Intervention von oben.
Immanuel Kants Übersetzung unseres Satzes, „Es herrsche Gerechtigkeit, die Schelme in der Welt mögen auch insgesamt daran zugrunde gehen“, ist also nicht einschlägig: Die Welt hat nichts davon, wenn „Sinn und Form“ nicht erscheint. Das Lateinische „mundus“ meinte – nach den Forschungen von Detlef Liebs – bei Hadrian „Putz“ und jenen Kosmos, von dem Kosmetik die Lehre ist, im übertragenen Sinne also: die Anmaßung Hochgestellter.
Diese und „weltlichen Übermut“ wird man „Sinn und Form“ kaum vorwerfen können. Umgekehrt wäre es nach dem Urteil übertrieben, von einer drohenden „Verödung des kulturellen Austauschs“ zu sprechen, wie es zahlreiche Freunde der Zeitschrift in einer Erklärung vor dem Urteil taten. Auch sie haben keine Antwort darauf gegeben, wie jener Widerspruch einer staatlich finanzierten, an Kiosken angebotenen Zeitschrift aufgehoben werden kann.
Womöglich führen zwei andere Verfahren, die Berberich angestrengt hat, diesmal vor einem Verwaltungsgericht, hier zu mehr Aufklärung. Bis dahin kann sich Berberich als Rechthaber fühlen, aber nicht als mehr. Kant hatte seiner Übersetzung des Satzes hinzugefügt, er dürfe nicht als Erlaubnis verstanden werden, das eigene Recht mit größter Strenge zu verfolgen. Denn das widerspreche ethischen Pflichten.