Die Apokalypse als Fernsehserie
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Ukrainische Kultur in Litauen: Die Autorin Lesya Mudrak (rechts) mit ihrer Schicksalsgenossin Ksenia Nezhyva im ukrainischen Kulturzentrum von Kaunas. Bild: Kerstin Holm
Rettungsfloß Baltikum: In Litauen treffen Flüchtlinge aus Russland, Belarus und der Ukraine aufeinander. Dort ist die Hilfsbereitschaft groß, die Skepsis gegenüber Russischsprachigen aber auch.
In Litauen, das im Vergleich zu den anderen baltischen Ländern Estland und Lettland eine mit fünf Prozent kleine russischsprachige Minderheit hat, wird heute allenthalben Russisch gesprochen. Das liegt an den ungefähr 70 000 Flüchtlingen aus der Ukraine, die das Land aufgenommen hat, den vielen Russen, die seit Kriegsbeginn immigriert sind, sowie der großen Exilgemeinde von Oppositionellen aus dem angrenzenden Belarus. Das traditionell entspannte Verhältnis der Litauer gegenüber Russischsprachigen leide darunter, sagt der in Vilnius geborene Oleg Jerofejew, der beim Nachrichtenportal delfi.lt, wo wir ihn treffen, den russischen Dienst leitet. Weniger Gebildete und Jüngere, die kein Russisch mehr lernen, subsumierten manchmal Belarussen, Ostukrainer und russische Emigranten pauschal als Putin-Leute, so Jerofejew, der zugleich betont, er selbst habe keine unangenehmen Erfahrungen gemacht. Eine Rolle spiele auch, dass belarussische wie russische Oppositionelle als Verlierer dastehen, ergänzt eine Germanistin, die ungenannt bleiben will, im Gespräch mit der F.A.Z., auch hätten die Balten nicht vergessen, dass russische Liberale weder die Georgien-Invasion 2008 noch die Krim-Annexion 2014 verurteilt hätten.
Der Osteuropajournalist Vytautas Bruveris unterhält freundschaftliche Beziehungen zu russischen wie belarussischen Politemigranten, die, wie der Schachmeister Garri Kasparow und Ex-Oligarch Michail Chodorkowski, in Vilnius Konferenzen abhalten oder, wie die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja, hier leben. Doch die einen wie die anderen spielten für ihre Länder keine Rolle und seien obendrein untereinander zerstritten, berichtet Bruveris bei Wein und Fleischsticks in der belarussischen Emigrantenbar „Pahonia“. In diesem Krieg sei allein das, was in der Ukraine geschehe, relevant, versichert Bruveris, dort entscheide sich auch die Zukunftsperspektive der Zivilgesellschaften der beiden anderen ostslawischen Länder.
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