Klimaschutz-Dokumentation : DiCaprio macht Ernst
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Leonardo DiCaprio bei einer Filmvorführung im UN-Hauptquartier Bild: AFP
In Amerikas Wahlkampf setzt einer noch auf Fakten. Leonardo DiCaprios Dokumentation „Before the Flood“ will mehr sein als eine Sammlung von Wasserstandsmeldungen von einem bedrohten Planeten. Der Gegner heißt Trump.
Vor zehn Jahren saß Leonardo DiCaprio in der Oprah-Show und hielt eine Energiesparlampe in die Kamera - als Waffe im Kampf gegen die globale Erwärmung, dem er sich schon damals verschrieben hatte. Heute erscheint ihm diese Geste naiv und viel zu klein geraten. Die Zeit, in der man habe hoffen können, die Welt mit den richtigen Glühbirnen in den eigenen vier Wänden zu retten, sei definitiv abgelaufen, sagt der Schauspieler in seiner neuen Klimaschutz-Dokumentation „Before the Flood“. Und die Kamera fängt auf breiter Front ins Meer brechende Eismassen in Grönland ein.

Redakteurin im Feuilleton.
DiCaprios Film aber zeigt noch viel bedrohlichere Szenarien als schmelzende Polkappen, von der Erdölwirtschaft in apokalyptische Landschaften verwandelte Gegenden und der Palmölindustrie geopferte Regenwälder. Die bedrohlichsten Bilder steuert Donald Trump bei. Wenn der Mann, der nächster Präsident der Vereinigten Staaten werden könnte, mit puterrotem Gesicht die menschengemachte Erderwärmung als Mythos beiseitefegt und damit sämtliche wissenschaftliche Erkenntnisse in der Sache als Propagandalügen diskreditiert, zeigt der Film, was er wirklich will: mehr sein als eine Sammlung von Wasserstandsmeldungen von einem bedrohten Planeten. Einen Diskussionsbeitrag liefern, kurz vor der Wahl, mit der klaren Botschaft: Trump darf nicht gewinnen. Sonst könnten wir alle den Bach runtergehen.
Es geht ums Ganze
Das aber macht „Before the Flood“ zu einem symptomatischen Film, der viel vom Elend politischer Willensbildung in einer Gegenwart erzählt, in der Meinen, Fühlen, Irgendwo-gehört-Haben, Misstrauen und Glaubenwollen wider besseres Wissen so viel machtvoller erscheinen als rationale Erkenntnisse und Tatsachen. Wir lebten im postfaktischen Zeitalter, heißt es jetzt oft, und wenn DiCaprio ausführt, die Leute schauten auf den Klimawandel mit demselben distanzierten Interesse (beziehungsweise Desinteresse) wie auf einen Katastrophenfilm aus Hollywood, dann passt dieses Bild auch auf den amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf, der von Verleumdungen, Lügen, Beschimpfungen und netzmedialer Stimmungsmache geprägt ist wie keiner je zuvor.
Das Dumme ist nur, dass DiCaprio ein echtes Anliegen hat und nicht nur eine Show abziehen will - dass er aber, um sein Anliegen an die Öffentlichkeit zu bringen, auf ebenjenen Show-Faktor seiner Berühmtheit bauen muss. Und dazu geht es ihm noch um etwas, das Amerika offenbar tiefer spaltet, als man es sich von jenseits des Atlantiks je ausgemalt hätte. Klimaretter und Klimaleugner - so legt die Dringlichkeit nahe, mit der „Before the Flood“ Erkenntnisse vorlegt, die allesamt nicht neu sind - stehen einander verfeindet gegenüber wie das Clinton- und das Trump-Lager. Oder wie evangelikale Kreationisten und Evolutions-Anhänger. Es geht ums Ganze, es geht praktisch um einen Glaubenskrieg, und mittendrin steht hier ein Promi, dem wahrscheinlich sowieso keiner traut, der ihm nicht trauen will.
Erstaunlich kühle Aussagen
2013 wurde DiCaprio, den als junger Mann der damalige amerikanische Vizepräsident Al Gore auf die Klimaproblematik aufmerksam machte, vom UN-Generalsekretär Ban Ki-moon zum Sondergesandten der Vereinten Nationen für Klimaschutz ernannt. DiCaprio steht in der Kritik, weil er selbst einen beträchtlichen ökologischen Fußabdruck hinterlässt. Mit dem Privatjet zu Umweltschutz-Events fliegen, das kommt nicht gut an in der heutigen Empörungskultur der Wohlstandswestler. Immerhin, der CO2-Verbrauch von „Before the Flood“ wurde über eine freiwillige Kohlendioxid-Abgabe kompensiert.
Der von DiCaprio mit Martin Scorsese und „National Geographic“ produzierte Film, der bis zum Sonntag auf Youtube und danach auf Sky zu sehen ist, folgt dem Schauspieler über drei Jahre auf seinen Reisen in UN-Mission: in den malaysischen Regenwald, ins nicht mehr ewige Eis, in kanadische Wälder ohne Schnee, zu absterbenden Korallenriffen. Bis zur Weltklimakonferenz in Paris spannt sich der Bogen. Der Schauspieler trifft den amerikanischen Außenminister John Kerry, redet mit Barack Obama und hat eine Audienz bei Papst Franziskus.
Eine Koalition der zur Rettung Willigen inszeniert Regisseur Fisher Stevens auf diese Weise, deren Macht DiCaprio selbst - als Pessimist auftretend, dem schon als Kind mit Hieronymus Boschs Höllenvision aus dem „Garten der Lüste“ der Weltuntergang vor Augen stand - stets misstraut. Vom Klimaforscher Michael E. Mann lässt er sich erzählen, wie sehr er für seine Erkenntnisse angefeindet wird. Schaubilder zeigen, wie viele Klimawandelleugner im Kongress sitzen. Mit dem republikanischen Ökonomen Gregory Mankiw spricht DiCaprio über eine Kohlendioxid-Steuer. Und trifft so eine im aufgeheizten amerikanischen Vorwahlklima dann doch erstaunlich kühle Aussage: Schaut euch die Fakten an. Und dann macht Politik.