Die Leerstelle in Spahns Debatte
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Die Behandlungen in den Kliniken werden heutzutage begrenzt. Bild: dpa
Wer mehr Organspenden möchte, muss die Spender zu Lebzeiten auswählen und länger künstlich am Leben halten – Stunden, Tage oder Wochen. Wollen die Spendenwilligen das?
Mit den Hirntoten ist es wie mit den Todesfällen im Straßenverkehr: sie werden weniger. Eine Medizin, die gelernt hat, auf aussichtslose Behandlung zu verzichten, bringt es mit sich, dass bei immer weniger Patienten – in der Formulierung des Transplantationsgesetzes – ein endgültiger, nicht behebbarer Ausfall der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms konstatiert wird. Das ist es, was den Hirntod ausmacht, der vor fünfzig Jahren von einer ad-hoc-Kommission der Harvard-Universität in den Vereinigten Staaten definiert, aus der Taufe gehoben wurde.
In diesem Zusammenhang geht es nun darum, auf eine Leerstelle hinzuweisen in der vom Bundesgesundheitsminister Jens Spahn angeregten Debatte zu einer Widerspruchslösung bei der Organentnahme und dem Gesetzentwurf aus seinem Ministerium zur Verbesserung der Abläufe in Kliniken mit dem Ziel, die Zahl der Organspenden zu steigern. Ob eine Umstellung von der Entscheidungsregelung auf eine Widerspruchslösung und mehr Transparenz bei der Vergabe der Organe nach dem hässlichen Transplantationsskandal allein schon helfen, darf man bezweifeln. Als brisanter könnte sich herausstellen, was sich hinter der angestrebten Optimierung der Strukturen der Organspende in den Kliniken versteckt. Denn bislang wird die naheliegende Tatsache verdrängt, dass es weniger Hirntote gibt. Und Ursache dafür ist ein Sachverhalt, der offenbar noch immer viel zu wenig bekannt ist, und im Blick auf den selbst erfahrene Gesundheitspolitiker sich als beachtlich ahnungslos erweisen. Hier tut Aufklärung not.
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