Was führt zum Spaltungsgefühl? Teilnehmer einer Demonstration während der Pandemie Bild: dpa
Im Moment nehmen Stimmen zu, die die Gesellschaft als gespalten wahrnehmen und beschreiben. Ist das politische Rhetorik oder eine bequeme Verkürzung der Medien?
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Jahrzehntelang wurde auf Podien und in den anschließenden Sammelbänden gefragt, was die Gesellschaft zusammenhält. Meistens kam als Antwort so etwas wie „geteilte Werte“ oder „Konsens in grundsätzlichen Fragen“ heraus. Das war ein wenig unergiebig, weil das Gegenteil von Zusammenhalt unzureichend beschrieben blieb. Meinte man Krieg oder schwächere Formen von Konflikt? Der führt, soziologisch betrachtet, die Beteiligten eher näher zusammen. Sie ähneln einander oft stärker als zuvor, konzentrieren sich auf dasselbe, wählen vergleichbare Strategien. Außerdem vereinigt Streit Gruppen, indem versucht wird, Umstehenden eine Parteinahme nahezulegen. Und schließlich ist „Frieden“ als Antwort auf die Frage, was Krieg verhindert, ohnehin so wenig informativ wie „Einigkeit“ als Lösung für das Problem des Auseinanderfallens.
Jetzt nehmen Stimmen zu, die eine in sich zerfallene, eine gespaltene Gesellschaft für ihren aktuellen Zustand halten. Das Wahlverhalten in den Vereinigten Staaten, wo sich die Bürger in Blöcken unversöhnlich gegenüberstehen, ist dafür nur ein besonders illustrativer Fall. Regelmäßig wird hierzulande berichtet, dass die Spaltung zwischen Ost und West unüberwunden ist. Keine Woche vergeht überdies, wo sich die Wähler gleichmäßiger über das Parteienspektrum verteilen, in der nicht Zahlen zu anderen vermuteten Spaltungen vorgelegt werden. Etwa zur wachsenden Einkommensungleichheit. So gehört immer weniger Personen immer mehr: Auf gut siebzig Millionen Leuten weltweit, heißt es beispielsweise, verteilten sich zwei Drittel des Einkommenswachstums der beiden Jahrzehnte nach 1989.
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