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Kunstmuseum in Derneburg : Alles schick ums Schloss?

Für Georg Baselitz ein Ort der Abgeschiedenheit, für Andrew und Christine Hall ein offenes Haus: Schloss Derneburg in der Nähe Hildesheims Bild: Wolfgang Stahr/Laif

Bald schon mehr Ausstellungsfläche als in der Tate Modern in London: In einem niedersächsischen Dorf wächst eines der größten Kunstmuseen Europas. Dabei liebt man hier die Ruhe.

          7 Min.

          „Beschaulichkeit“. Für dieses Wort wechselt Andrew Hall, amerikanischer Milliardär britischer Herkunft, ins Deutsche, wenn er mit einem niedersächsischen Kommunalpolitiker über Pläne spricht, bald täglich mehr Besucher in dessen Heimatdorf nahe Hildesheim zu bringen, als es Einwohner hat. „Wir möchten“, sagte Andrew Hall im März 2021 im Video-Chat mit Falk-Olaf Hoppe, „die Beschaulichkeit Derneburgs nicht durch zu viele Besucher und zu viele Autos beeinträchtigt sehen.“ Genau davor haben seine neuen Nachbarn Angst: vor zu vielen Gästen und zu viel Verkehr.

          Fridtjof Küchemann
          Redakteur im Feuilleton.

          Vor mehr als fünfzehn Jahren hat der Kunstsammler Hall, als Hedgefonds-Manager reich geworden, Schloss Derneburg gekauft, einen Bau aus dem 17. Jahrhundert mit mittelalterlichen Wurzeln, in dessen Umgebung das Örtchen gleichen Namens gewachsen ist. Seit fünf Jahren gibt es hier regelmäßig Ausstellungen zeitgenössischer Kunst, und das Museum wächst: Nach und nach erschließt Andrew Hall weitere Teile des Schlosses, dazu Stallungen und Wirtschaftsgebäude für die Hall Art Foundation, die er zu­sammen mit seiner Frau Christine ins Leben gerufen hat. In ein paar Jahren wird die Ausstellungsfläche des Museums im Vierhundertfünfzig-Seelen-Nest an der Nette die der Tate Modern in London übersteigen. Mehr als sechstausend Werke umfasst die Sammlung der Stiftung zusammen mit der Privatsammlung der Halls, sie sollen den Grundstock bilden, ergänzt um Leihgaben aus anderen Mu­seen und Galerien. Bis zu fünfhundert Besucher sollen dann pro Öffnungstag hierherkommen: Grund genug für die Einheimischen zur Neugier, zu Befürchtungen und großen Erwartungen.

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