Lamya Kaddor gegen Necla Kelek : Wen schert schon, ob das Zitat stimmt?
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Sie zitiert nicht wortgetreu: Lamya Kaddor. Bild: dpa
Was lehrt der Islam über die Sexualität des Mannes? Die Soziologin Necla Kelek hat dazu einen Satz gesagt, den ihre Intimfeindin Lamya Kaddor falsch zitiert. Das Zitat wird seit Jahren weiterverbreitet. Ob sich das je ändert?
Einundfünfzig Fußnoten sind viel für einen Blogbeitrag. Doch es ist eine lange Geschichte zu erzählen. Am 16. Juni 2010 sagt die Soziologin Necla Kelek in einem Talkformat des ZDF, befragt nach der Sexualmoral des Islam, folgendes, und sie schickt voraus, sie wolle es krass formulieren: „Ich sehe nach diesem Menschenbild, was der ,Islam‘ übrigens auch vorgibt, in der Erziehung, da gibt es ein Menschenbild, was konstruiert ist, die Menschen haben nicht die Fähigkeit, ihre Sexualität zu kontrollieren, und besonders der Mann nicht, der ist ständig eigentlich herausgefordert und muss auch der Sexualität nachgehen, er muss sich ,entleeren‘, heißt es, und wenn er keine Frau findet, eben dann ein Tier oder eine andere Möglichkeit, wo er dem nachgehen muss. Und das hat sich im Volk so durchgesetzt, das ist ein Konsens.“
Krass formuliert ist das in jedem Fall. Hat Kelek hier einen pauschalen Sodomie-Verdacht gegen muslimische Männer formuliert? Das wäre erst noch zu klären gewesen. Zwischen dem „konstruierten“ Menschenbild des Islams, das Kelek bekämpft, und dem Sexualleben von Muslimen, das sie von Glaubensvorschriften lösen will, gibt es Spielräume. Wie Kelek im Einzelnen über muslimische Männer denke, erfährt man in einer zweiten Version, die aber nicht von ihr selbst stammt, sondern von ihrer Intimfeindin Lamya Kaddor, damals Vorsitzende des Liberal-Islamischen Bundes.
Kaddor greift das Zitat am 21. Juli in einer Pressemitteilung auf und verbindet damit die politische Forderung, Kelek nicht wie geplant den Freiheitspreis der Naumann-Stiftung zu verleihen. Kaddor schreibt: „Der muslimische Mann muss ständig der Sexualität nachgehen.“ Das hat Kelek so nie gesagt, doch nun scheint klar, wie sie es gemeint haben muss, und das Zitat wird Kelek nicht mehr loslassen, weil es von Politikern, Journalisten, Wissenschaftlern und immer wieder auch von Kaddor in neuen Varianten aufgegriffen wird. In einer Spiegel-Online-Kolumne von Jakob Augstein heißt es beispielsweise: „Dumm und dauergeil, so ist er, der Muslim.“ Auf Facebook schiebt Augstein nach: „Dass der Islam Sex mit Tieren lehrt. Ja, das nenne ich Rassismus.“
Der Journalist Jörg Metes hat die Metamorphose des Zitats in einem ausführlichen Artikel in dem Blog „Ruhrbarone“ dokumentiert, der auf Facebook heftig diskutiert wird. Der in dem Beitrag unter anderem angegriffene Journalist Daniel Bax hält bereits die Zitierpflicht für eine Zumutung: „Bei Elsässer [Chefredakteur der rechtspopulistischen Zeitschrift „Compact“] oder Höcke würden wir doch auch nicht fragen, wie er diesen einen Satz nun genau gemeint hat. Weil wir den Kontext kennen.“ Soll heißen: Wenn die Meinung nicht passt, ist der Wortlaut gleichgültig.