Wer darf von wem klauen?
- -Aktualisiert am
Dafür gab es Kritik: Models mit Dreadlocks laufen für Marc Jacobs in New York, 2016 Bild: Paul Bruinooge/Patrick McMullan
Wer kann Dreadlocks tragen, wer traditionelle Farben indigener Stämme? Und lebt die Popkultur nicht vom Austausch? Mehr Differenzierung in der Debatte über kulturelle Aneignung würde helfen, meint Experte Jens Balzer.
Bei der intensiven Debatte über kulturelle Aneignung wird immer gerne ein bestimmtes Bild verwendet: eine junge weiße Frau, auf deren Kopf sich bunte Dreadlocks türmen. Der amerikanische Designer Marc Jacobs hatte sie den Mannequins für seine Frühjahrskollektion bei der New Yorker Fashion Week 2016 ins Haar flechten lassen. Zwar befand man die Kollektion an sich für gelungen, doch schnell wurde Kritik laut: Was fiele Jacobs ein, Dreadlocks – eine Frisur, die traditionell Schwarze tragen – an weißen Models zu inszenieren? Da zeige sich wieder, wie Weiße sich die Kultur von Schwarzen aneignen, um sich daran zu bereichern.
Ob Mode, Kunst, Literatur oder Musik – lange wurde nicht zwischen Inspiration, Zitaten und Ausbeutung unterschieden. Umso heftiger wird heute über die kulturellen Wurzeln gewisser Werke gestritten. Linke finden Konservative „ignorant“, Konservative Linke „besessen“. Einen Mittelweg scheint es nicht zu geben. Der Popkritiker Jens Balzer versucht es dennoch: In seinem 2022 erschienenen Buch “Ethik der Appropriation” erörtert er, wie problematisch kulturelle Aneignung ist, fragt aber auch, wie notwendig sie ist und wie man es vielleicht besser machen könnte.
Jetzt 30 Tage kostenfrei testen 2,95 € / Woche
Jetzt kostenfrei Zugang abonnieren?