Über Hitler war er immer gut informiert
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Nur ein harmloser „sportsman“? Der Kronprinz auf der Insel Wieringen in Holland 1918 bis 1923. Bild: Picture-Alliance
Wilhelm von Preußen, der Exkronprinz des Kaiserreichs, wird neuerdings als politischer Amateur dargestellt. Die historischen Fakten sprechen allerdings dagegen. Ein Gastbeitrag.
In den vergangenen Jahren sind zahlreiche historische Figuren auf ihre politischen Neigungen hin untersucht worden. Doch nun wird plötzlich der Typus des unpolitischen Deutschen wiederbelebt. Kein Geringerer als Wilhelm, der letzte Kronprinz des Deutschen Reiches, soll von Politik keine Ahnung gehabt und sich nur spät, kurzzeitig und erfolglos politisch engagiert haben.
In einem Interview der Welt vom 26. August mit dem Historiker Lothar Machtan und Georg Friedrich Prinz von Preußen wird Wilhelm als „Spätberufener“ dargestellt: „Sein politisches Engagement wird erst um 1930 fassbar.“ Die neue Strategie des Hauses Hohenzollern und des vom ihm bezahlten Historikers, Restitutionsansprüche an den deutschen Staat durchzusetzen, tritt so zutage: Der Ex-Kronprinz wird mit Verve als nicht wirklich ernst zu nehmende Person gezeichnet, als „Dandy“, „Lebemann“, „Womanizer“ oder harmloser „sportsman“. Dabei erinnern die Charakterisierungen Machtans an die Politpathologie eines Cesare Lombroso, der in den 1890er Jahren die Figur des „politisch Irren“ popularisierte. Der Sinn der historischen Übung ist offenkundig: Wilhelm wird in eine Reihe debiler Hohenzollern eingereiht, denen man die „Politikfähigkeit“ abspricht. Ein solcher Politclown kann unmöglich Hitler und dem Nationalsozialismus erheblichen Vorschub geleistet haben.
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