Mit den Artilleriegeschossen des Geistes
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Kriegsausbruch und Mobilmachung am 1. August 1914: Die Jugend auf dem Pariser Platz in Berlin reagiert begeistert. Bild: picture alliance / akg-images
Der jetzige Kulturkrieg hat Vorgänger. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges warfen Intellektuelle den gegnerischen Ländern Unkultur vor. Später schämten viele sich dafür. Ein Gastbeitrag.
Zum ersten Mal seit Langem haben wir in Europa einen Krieg, in dem sich an der Front nicht nur Tausende von Soldaten und Millionen Zivilisten, sondern auch die wichtigsten wissenschaftlichen und kulturellen Institutionen des Kontinents gegenüberstehen. Wissenschaftliche Gesellschaften und Akademien geben Erklärungen ab und schließen Mitglieder, die den Feind unterstützen, aus ihren Reihen aus. Theaterstücke und Opern, deren Autoren die falsche Nationalität besitzen, werden vom Spielplan genommen, erst recht, wenn in den Werken patriotische Gefühle mitschwingen. Wissenschaftler bekunden der Obrigkeit ihre Loyalität. All dies hat es schon einmal gegeben, vor etwas mehr als einem Jahrhundert. Der Blick zurück lohnt, weil viele der damals empörten Intellektuellen Jahre später sich für ihre Beteiligung am „Krieg des Geistes“ schämten.
In jenem Krieg erfolgten die publizistischen Vorstöße im gleichen Rhythmus wie die Offensiven und Gegenoffensiven an den Fronten. Am 8. August 1914, als in Belgien die Schlacht um Lüttich tobte, hielt Henri Bergson eine Rede, in der er den Krieg als Kampf der Zivilisation (die Frankreich und England repräsentierten) gegen die deutsche Barbarei bezeichnete. Am 2. September hatten die Deutschen mehrere Schlachten gegen Belgier, Franzosen und Briten gewonnen und rückten gegen Paris vor. Wenige Tage später sollte die Schlacht an der Marne beginnen.
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