Dilemma des Klimawandels : Wer nicht gerade geboren wird, stirbt
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Das für 1,3 Milliarden Dollar errichtete Lake Borgne Surge Barrier in New Orleans, das die Stadt vor künftigen Hurrikanen schützen soll. Bild: Getty
Der US-Bundesstaat Louisiana versinkt. Grund dafür sind menschliche Eingriffe in die Umwelt, die das verhindern sollten.
Der New Orleans Lakefront Airport liegt auf einer künstlich aufgeschütteten Landzunge im Lake Pontchartrain. Das Terminal, ein Art-déco-Bau, galt in seiner Entstehungszeit 1934 als hochmodern. Heute kann man es für Hochzeiten mieten. Die Landebahn wird für kleine Flugzeuge genutzt, und so bin auch ich einige Monate nach dem Karpfenfest hierhergekommen, nämlich als Passagierin in einer viersitzigen Piper Warrior. Der Eigentümer und Pilot des Flugzeugs war ein Anwalt im Teilruhestand, der gern jeden Vorwand nutzte, um zu fliegen. Wie er mir erzählte, bot er oft seine ehrenamtlichen Dienste an, wenn gerettete Tiere transportiert werden mussten. Ohne es ausdrücklich zu sagen, ließ er durchblicken, dass Hunde ihm die liebsten Passagiere waren.
Die Piper hob Richtung Norden ab, flog über den See und drehte dann eine Schleife zurück nach New Orleans. Wir erreichten den Mississippi bei English Turn, jener Biegung, in der dieser Fluss nahezu eine 180-Grad-Kehre macht. Dann folgten wir dem gewundenen Flusslauf bis ins Plaquemines Parish. Der Landkreis liegt am äußersten südöstlichen Ende von Louisiana, wo sich der breite Trichter des Mississippi-Mündungsdeltas zu einem schmalen Auslass verengt und Chicagos Ballast und Treibgut schließlich ins Meer spült. Auf Landkarten wirkt das Parish wie ein dicker, muskulöser Arm, der in den Golf von Mexiko ragt und den der Fluss wie eine Vene in der Mitte durchzieht. Aus der Luft betrachtet, wirkt das Parish völlig anders. Wenn man es mit einem Arm vergleicht, so ist er furchtbar abgemagert und besteht fast über die gesamte Länge – von gut 100 Kilometern – praktisch nur aus der Vene. Das wenige vorhandene Land säumt in zwei dünnen Streifen den Fluss. Als wir in einer Höhe von etwa 600 Metern über diese Gegend flogen, konnte ich Häuser, Bauernhöfe und Raffinerien auf den Landstreifen erkennen, aber nicht die Menschen, die dort leben und arbeiten. Jenseits davon lagen offene Wasserflächen und Marschland. An vielen Stellen zogen sich Kanäle kreuz und quer durch die Sumpfgebiete, vermutlich zu einer Zeit, als das Land noch fester war, angelegt, um an das Erdöl darunter zu gelangen. An einigen Stellen konnte ich die Umrisse früherer Felder ausmachen, die sich heute als rechteckige Seen präsentieren. Große weiße Wolken, die sich über dem Flugzeug bauschten, spiegelten sich unten in den schwarzen Teichen.
Ein Boden wie Wackelpudding
Plaquemines Parish steht in dem – bestenfalls zweifelhaften – Ruf, zu den am schnellsten untergehenden Orten der Erde zu gehören. Jeder, der dort lebt – und das sind immer weniger Menschen –, kann eine Stelle im Wasser aufzeigen, an der früher ein Haus oder eine Jagdhütte stand. Das gilt sogar für Teenager. Vor einigen Jahren löschte die National Oceanic and Atmospheric Administration offiziell 31 Ortsnamen im Plaquemines Parish, weil es diese Orte schlicht nicht mehr gab. Was in Plaquemines passiert, geschieht an der gesamten Küste. Alle eineinhalb Stunden verliert Louisiana weiteres Land von der Größe eines Footballfeldes. Alle paar Minuten geht die Fläche eines Tennisplatzes unter. Auf Landkarten mag die Form des Bundesstaats immer noch einem Stiefel ähneln. In Wirklichkeit ist der untere Teil dieses Stiefels jedoch zerfetzt: Ihm fehlt nicht nur die Sohle, sondern auch die Ferse und ein Gutteil des Spanns.