Yad Vashem statt Bundesarchiv : Kai Diekmann und die Auschwitz-Pläne
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Kai Diekmann (l.) mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und dessen Ehefrau Sarah Netanjahu im Februar 2016 in Berlin Bild: dpa
„Wir werden Sie an der Grenze stoppen“: Der „Bild“-Chef Kai Diekmann erzählt, wie er dafür sorgte, dass die wohl einzig erhaltenen Baupläne des Vernichtungslagers Auschwitz nach Israel gelangten. Auch wenn das Bundesarchiv sie für sich beanspruchte.
Die wohl einzig erhaltenen Baupläne von Auschwitz „in einer Schublade des Bundesarchivs“? Nach Ansicht von Kai Diekmann gehören sie in die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem. Und dafür, dass sie auch tatsächlich dorthin gelangten, sorgte der Herausgeber der „Bild“-Zeitung im Jahr 2009. Dabei half ihm der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.
In einem am Dienstag veröffentlichten Interview mit dem in Berlin erscheinenden Online-Magazin „Spitz“ kommt Diekmann auf den Fall zu sprechen. Der Springer-Verlag hatte 29 Baupläne und -skizzen von Auschwitz aus dem Jahr 1941 mit der Unterschrift Heinrich Himmlers auf dem Schwarzmarkt erworben und im August 2009 im Springer-Hochhaus ausgestellt. Das Bundesarchiv habe die Dokumente zuvor geprüft und für echt befunden – allerdings zugleich Anspruch auf sie erhoben: „Bundesarchiv und Bundesinnenministerium haben uns gesagt, diese Dokumente gehören der Bundesregierung“, zitiert die „Süddeutsche“ aus dem auf Hebräisch veröffentlichten Interview, „wenn Sie versuchen, sie aus Deutschland herauszubringen, dann bekommen Sie ein Problem. Wir werden Sie an der Grenze stoppen.“
Das Bundesarchiv spricht von Wortbruch
Um das zu vermeiden, erzählt Diekmann in dem Interview, habe er Netanjahu zum Besuch der Ausstellung eingeladen und ihm die Dokumente geschenkt. Der Premierminister habe sich über dieses „Geschenk der Wahrheit“ gefreut und sie mit zurück nach Israel genommen.
Der damalige Leiter der Abteilung „Deutsches Reich“ im Bundesarchiv in Berlin, Hans-Dieter Kreikamp, hatte damals die Echtheit der Baupläne geprüft. „Wir waren sehr enttäuscht“, zitiert ihn die „Süddeutsche Zeitung“, „dass der Springer-Verlag sein Wort einseitig gebrochen hat. Wir haben naiv dem gesprochenen Wort vertraut.“ Mit Springer sei mündlich vereinbart worden, die Originale nach der Ausstellung und der publizistischen Verwertung durch den Verlag in die Obhut des Bundesarchivs zu geben.
Eine Spendenbescheinigung zum Dank
Über den Kurznachrichtendienst Twitter wehrt sich Diekmann gegen den unterstellten Wortbruch: Eine Zusage finde er nicht in seinen Unterlagen. Der „Bild“-Herausgeber veröffentlicht ein Schreiben von Hartmut Weber, bis März 2011 Präsident des Bundesarchivs, in dem dieser für die Überlassung der Unterlagen wirbt: „Sollten Sie sich entschließen, die Pläne aus der Hand zu geben, kann ich Sie daher versichern, dass das Bundesarchiv sich der dauerhaften Sicherung und der Zugänglichkeit dieser Unterlagen von bleibendem Wert besonders annehmen würde.“ Weber hebt zudem die Bedeutung der Dokumente hervor: Die Baupläne seien „vorzüglich geeignet, die Vorsätzlichkeit, die niederen Beweggründe und zugleich die Professionalität anschaulich zu dokumentieren, mit der die Mordmaschinerie in Gang gesetzt wurde.“
.@SZ Von wegen Zusage.....Die würde ich sehr gerne sehen! Ich hab' die nicht in meinen Unterlagen... pic.twitter.com/Iz0MetFSAU
— (((Kai Diekmann))) (@KaiDiekmann) 5. Juli 2016
Nach Ansicht des Abteilungsleiters Hans-Dieter Kreikamp vermittelten die Unterlagen zwar „keinen grundlegend neuen Erkenntnisgewinn im Sinne bislang völlig unbekannter Quellen“. Wie der Archivar in einem von Diekmann ebenfalls über Twitter in Auszügen verbreiteten Brief schrieb, seien sie allerdings geeignet, „eine deutliche Lücke in der umfänglichen Überlieferung des Bundesarchivs zur Geschichte des NS-Regimes und seines Terrorsystems zu schließen“. Auch das Schreiben Kreikamps legt nahe, dass das Bundesarchiv nicht immer die Auffassung offensiv vertrat, dass die Baupläne der Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolgerin des Dritten Reiches gehörten. In dem Brief schlägt Kreikamp Springer vor, die Unterlagen „in einer öffentlichkeitswirksamen Aktion dem Bundesarchiv zu übergeben“. Das Bundesarchiv würde auch eine Spendenbescheinigung ausstellen.
.@SZ Die Herren vom Bundesarchiv sollten mal ihre eigene Korrespondenz nachlesen, bevor sie Unsinn verbreiten... pic.twitter.com/WISW4o5rkn
— (((Kai Diekmann))) (@KaiDiekmann) 5. Juli 2016