Jared Diamond im Interview : Das Risiko heißt: Zusammenbruch der Weltgesellschaft
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„Denken Sie nicht an Spenden”: Jared Diamond Bild: F.A.Z.-Helmut Fricke
Geht die Zivilisationen an der Umweltzerstörung zugrunde? Das Buch „Kollaps“ von Jared Diamond nimmt sich dieser Frage an und wurde in kürzester Zeit zum Bestseller. Mit der F.A.Z. sprach der Autor über die Herausforderungen der globalisierten Welt.
Überschwemmungen, Wirbelstürme, gewaltige Waldbrände, Raubrodungen, Luft- und Wasserverschmutzung: Die globale Dimension von Umweltverschmutzung und Klimaveränderung ist noch nie für jedermann so sichtbar geworden wie in den vergangenen Jahren. Wie werden die Gesellschaften des Westens und der aufstrebenden Industrienationen des Fernen Ostens darauf reagieren? Welche Wahl hat man?
Der Biologe und Geograph Jared Diamond hat diese Frage in seinem jüngsten Werk „Kollaps“ (auf deutsch im S. Fischer Verlag), das in zahlreiche Sprachen übersetzt und millionenfach verkauft wurde, zugespitzt auf die Entscheidung über Untergang und Überleben. In der Tradition antiker Beispielsammlung hat er Fälle erfolgreichen Überlebens trotz schwieriger Umweltverhältnisse ebenso analysiert wie Fälle des Untergangs, verursacht durch Raubbau an der Natur, unintelligentes soziales Verhalten im Innern und Krieg gegen die Nachbarn.
Das Werk, das im letzten Jahr in den Vereinigten Staaten veröffentlicht wurde, hat gleich bei Erscheinen großes Aufsehen erregt: Die Mahnung an die Vereinigten Staaten war unüberhörbar. Sie gilt nicht weniger für Europa: Verspielen wir wie in Fragen der Familienpolitik auch bei der Umwelt- und Energiepolitik die Zukunft? Jared Diamond ist kein Untergangsprediger, sondern stellt die Gesellschaften vor die langfristigen Konsequenzen ihres Handelns. Mit der F.A.Z. sprach er über die Herausforderungen der globalisierten Welt, die Zerstörung der Lebensgrundlagen und die Angst vor dem Untergang.
Im vergangenen Jahr ist in den Vereinigten Staaten Ihr Buch „Kollaps. Warum Gesellschaften überleben oder untergehen“ erschienen. Jetzt liegt es auch auf deutsch vor. Wie war die Reaktion in Amerika auf Ihr Buch?
Sie hat mich erstaunt. Zwei oder drei Tage nach Erscheinungstermin stand das Buch schon auf dem zweiten oder dritten Platz der Amazon-Bestsellerliste. Ich fühlte mich dafür gar nicht verantwortlich - es war wohl eher das Thema des Buches.
Bisher hat sich Amerika selbst noch nie als vom Untergang gefährdet gesehen?
In Amerika denkt man dabei eher an das alte, dekadente, ja fast abgestorbene Europa.
Warum interessieren sich die Amerikaner auf einmal für den Untergang und beziehen ihn auf sich selbst?
Die Stimmung in Amerika ist gegenwärtig zwar nicht dekadent, aber wir machen uns Sorgen. In erster Linie rührt diese Besorgnis von dem Angriff auf das World Trade Center im Jahre 2001. Das ist für uns ein Trennungsschock zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart gewesen. Es geht jedoch nicht nur um die Terroristen. Jetzt machen wir uns auch Sorgen um den Klimawandel. Unser Präsident und der australische Präsident sind die einzigen, die es versäumt haben, die Realität des Klimawandels anzuerkennen. Nur diese zwei. Das macht uns Sorgen - und die sind mit der Katastrophe in New Orleans sehr schnell hochgekommen. Die andere Sorge in den Vereinigten Staaten betrifft die wachsende Kluft zwischen den Reichen und den Armen. Damit beschäftige ich mich am Ende meines Buches.