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Palästinensische Schulbücher : Lektionen in Hass

Eindeutige Botschaften: Bei der Al-Quds-Demonstration vor ein paar Tagen in Berlin. Bild: EPA

Wer Antisemitismus sehen will, muss in Berlin nur auf die Straße gehen oder in palästinensischen Schulbüchern blättern, mit denen auch an UN-Schulen gelehrt wird. Israel kommt dort nicht vor. Auch nicht der Holocaust. Dafür wird der Terror verherrlicht.

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          Schulbücher sollen zum Verständnis der eigenen und anderer Kulturen beitragen, indem sie gesichertes Wissen und humanistische Werte vermitteln, so wünscht es sich die Unesco. Wer in Schulbücher schaut, die vom Bildungsministerium der palästinensischen Autonomiebehörde herausgegeben werden, der wird eines Schlechteren belehrt. Fünfzehn dieser Schulbücher – für die Fächer Geschichte, Geographie, Mathematik und Nationale Erziehung – hat das „Mideast Freedom Forum Berlin“ (MFFB) im Auftrag von Bundestagsabgeordneten untersucht.

          Regina Mönch
          Freie Autorin im Feuilleton.

          Einmal abgesehen davon, dass in diesen Büchern der Geschichte der Palästinenser eine antike Dimension verliehen wird, kommt der Staat Israel in keinem vor, weder als Gebiet, etwa auf Karten, noch mit dem Lebensalltag seiner Bevölkerung. Zweitausend Jahre jüdische Kultur und Religion werden genauso ignoriert wie die Schoa. Die Zwei-Staaten-Lösung gehört eindeutig nicht zum Lernziel, dafür wird der „Märtyrertod“ von Palästinensern und damit der Terror verherrlicht.

          Immer sind Juden, so sie überhaupt erwähnt werden, Widersacher Mohammeds; islamische Religionsstätten würden heute judaisiert, heißt es, sogar die palästinensische Mode werde als israelische ausgegeben. Hinzu kommen Verschwörungstheorien von der „zionistischen Bewegung“, die in den Vereinigten Staaten Medien und die Wirtschaft beherrsche, und antisemitische Karikaturen. Es sind Schulbücher, die zwar bei Nachfragen als sogenannte Versuchsauflagen bezeichnet werden, die jedoch, das ergab die Studie des MFFB, seit der Jahrtausendwende zum palästinensischen Kerncurriculum gehören. Mit ihnen werden Kinder in Gaza und im Westjordanland in staatlichen Schulen und den etwa 340 Schulen des UN-Hilfswerkes für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) unterrichtet. Die UNRWA hatte jetzt endlich verlangt, diese diskriminierenden Inhalte zu ändern. Das Bildungsministerium lehnt das aber ab, die Hamas sprach von einem „politischen Verbrechen“.

          Friedenserziehung sieht anders aus

          Die Abgeordneten Michael Leutert (Linke), Volkmar Klein (CDU) und Sven-Christian Kindler (Grüne), alle Mitglieder im Haushaltsausschuss des Bundestages, erinnerten am Mittwoch in Berlin daran, dass allein Deutschland die Autonomiebehörden mit 150 Millionen Euro im Jahr unterstützt. Sie versuchen seit Jahren, die Öffentlichkeit und das Parlament zu bewegen, genauer hinzuschauen, wofür diese Gelder verwendet werden. Friedenserziehung, die immer wieder angeführt werde, sehe anders aus, diese Bücher trügen stattdessen zu einer Eskalation des Konfliktes bei. Die Abgeordneten wollen keine Kürzung der Hilfsgelder; es gebe andere Wege, wenigstens der nächsten Schülergeneration diese Erziehung zum Hass zu ersparen.

          „Boycott Israel“ ist eine der verbreiteten Parolen beim Al-Quds-Marsch.
          „Boycott Israel“ ist eine der verbreiteten Parolen beim Al-Quds-Marsch. : Bild: EPA

          Ein (abgelehnter) Änderungsvorschlag der UNRWA betrifft Jerusalem: Im Arabischunterricht solle künftig gelehrt werden, dass die Stadt „den drei abrahamitischen Religionen heilig“ sei. Die deutsche Hauptstadt hat gerade wieder das Gegenteil erleben dürfen, am sogenannten Al-Quds-Tag, den Ajatollah Chomeini 1979 zum Kampftag für die endgültige Eroberung Jerusalems ausrief. Wegen einiger Polizeiauflagen wurde 2017 in Berlin nicht mehr „Tod, Tod, Israel“ skandiert, sondern lediglich auf Plakaten behauptet, die Zionisten Israels hätten den IS erfunden, und israelische Waren müssten boykottiert werden – die moderne Form von „Kauft nicht beim Juden“. Der aggressiv aufgeladene Strom von deutschen und arabisch-muslimischen Demonstranten wogte, gut beschützt von der Bereitschaftspolizei, wieder über den Kurfürstendamm. Am Tag davor hatten Aktivisten der Kauft-nicht-beim-Juden-Bewegung in der Humboldt-Universität die israelische Schoa-Überlebende Dvora Weinstein und Jugendliche der Partei „Yesh Atid“ („Es gibt eine Zukunft“) mit wüsten Israel-Beschimpfungen überzogen.

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          Am Kurfürstendamm wurden junge Quds-Männer, die trotz offensichtlicher Verbote mit einem Juden diskutieren wollten, vom Veranstalter bedrängt, der sie schließlich anschrie, sie sollten schweigen und über diesen „Fehler“ nachdenken. Die kaum sichtbare Gegendemonstration hatte zuvor stattgefunden, und zum Glück riefen dieses Mal nicht nur deutsche Juden und Israelis zur Versöhnung auf, sondern auch Berliner Politiker aller Parteien. Die Autorin dieses Beitrags wurde von der Polizei jedoch bald aufgefordert, sich hinter weit entfernte Sperrgitter zurückzuziehen, andernfalls bestehe Gefahr, die Quds-Demonstranten könnten sich provoziert fühlen. Bürgersteig also für den Hass reserviert. Vor allem mein kleines Israel-Papierfähnchen musste weg. Hätte ich mich nicht gefügt, wäre ich abgeführt worden.

          Der Bürgermeister von Berlin-Charlottenburg, durch das der Kurfürstendamm führt, hatte, ohne viel zu fragen, an diesem Tag auf seinem Rathaus die israelische Flagge gehisst. Die Traurigkeit älterer Berliner Juden, die dem hasserfüllten Treiben auf Berlins Prachtstraße zuschauten, konnte die zivilcouragierte Geste nicht trösten – zu offensichtlich war die Gleichgültigkeit der Berliner, diesem bösen Spuk durch demonstrative Anwesenheit endlich ein Ende zu machen.

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