Hilfe für Kulturszene : Kritik am „Förderflickenteppich“
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Nach Kritik von Kulturverbänden: Kulturstaatsministerin Monika Grütters will bei Hilfsmaßnahmen nachbessern. Bild: Imago
Mit der Corona-Krise ist das kulturelle Leben jenseits der Netzwelt ausgebremst. Sofortpakete von Bund und Ländern sollen leidtragenden Künstlern helfen. Doch es gibt Lücken.
Nach Kritik an ersten Hilfspaketen in der Corona-Krise will Kulturstaatsministerin Monika Grütters weiter an der Unterstützung für die Kulturszene feilen. „Ich werde mich weiter mit aller Kraft dafür einsetzen, die einzigartige Kulturlandschaft in Deutschland in all ihrer Vielfalt zu erhalten“, sagte die CDU-Politikerin. „Dazu gehört natürlich auch, dass wir als Bundesregierung die bestehenden Hilfsmaßnahmen beständig überprüfen und gegebenenfalls auch nachjustieren.“
Unterdessen hat Linken-Chefin Katja Kipping einen Schutzschirm für die freie Kulturszene gefordert. Durch die Absage aller Großveranstaltungen des Sommers drohe „ein kulturelles Massensterben nie gekannten Ausmaßes“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.
„Frei schaffende Künstler, die oft schon vor der Corona-Krise kaum über die Runden kamen, Veranstaltungsorte und Festivalträger, die keine großen Kapitalgesellschaften im Rücken haben, drohen [...] in die Insolvenz zu rutschen“, mahnte Kipping. Ausfälle durch abgesagte Veranstaltungen sollten analog zu den Regelungen des Kurzarbeitergelds vom Staat übernommen werden. Das würde bedeuten, dass Künstler und Veranstalter 60 Prozent - und in Haushalten mit
Kindern 67 Prozent - des entgangenen Geldes vom Bund bekommen.
Grütters verwies auf bestehende Programme. „Die Bundesregierung hat milliardenschwere Hilfspakete geschnürt, die auch und ganz gezielt notleidenden Kreativen gelten.“ Not und Verzweiflung von Künstlern und Kreativen in der aktuellen Krise seien groß. Zudem gebe es Vorbehalte, die Angebote des Sozialschutz-Pakets zu nutzen. „Umso mehr appelliere ich vor allem an die solo-selbstständigen Künstler und Kreativen, jetzt die niedrigschwellige Unterstützung auch in Anspruch zu nehmen.“ Grütters verwies etwa auf die Übernahme der Wohn- und Heizkosten.
Zuvor hatte der Deutsche Kulturrat die unterschiedlichen Hilfsprogramme in den Ländern als ungerecht kritisiert. „Für diesen Förderflickenteppich gibt es keinen nachvollziehbaren Grund“, hieß es dort. Ein Beispiel nennt die Vorsitzende des Bundesverbands Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK), Dagmar Schmidt: „Außer in Baden-Württemberg können Selbstständige keine Eigenmittel, also kein eigenes Einkommen geltend machen“, sagte Schmidt der dpa. Dies sei dort in einer Höhe von 1180 Euro möglich. Das sei sinnvoll, „weil man ja von seiner Unternehmung leben muss“. Der BBK fordere deswegen eine entsprechende Regelung bundesweit. Schmidt wies zudem darauf hin, dass die Hilfsprogramme nur auf drei Monate beschränkt seien. „Wir befürchten, dass die Auswirkungen noch länger andauern“, sagte die BBK-Vorsitzende mit Blick auf die Corona-Krise.
„Schauspieler fallen zwischen alle Stühle“
Heinrich Schafmeister, Vorstandsmitglied im Bundesverband Schauspiel BFFS, hat „größten Respekt“ angesichts schneller Hilfspakete, sieht allerdings auch Lücken. „Es ist unsere Grunderfahrung, dass wir Schauspieler zwischen alle Stühle fallen“, sagte Schafmeister. Viele Schauspieler seien keine Selbstständigen. Selbst wenn, gebe es kaum Betriebskosten anzurechnen. Grundsicherung wie Heizung und Miete komme Schauspielern aber sehr entgegen. „Wir müssen meistens in größeren Städten leben und die Mieten sind sehr hoch.“ Ein großes Problem sei die in Anträgen genannte Grenze bei„ erheblichen Vermögen“ von 60 000 Euro. Schauspieler haben laut Schafmeister eine schlechte gesetzliche Altersversorgung und sind nicht über die Künstlersozialkasse abgesichert. „Jeder ist also gut beraten, sich seine Rücklagen zu schaffen.“ Dies sei bei den aktuellen Hilfen nun ein Problem. Die Präsident der Deutschen Filmakademie, Schauspieler Ulrich Matthes, sagte, es gebe natürlich auch in der Filmbranche viele Ängste, viele ökonomische Verwerfungen. „Es besteht die Gefahr, dass kleinere Produktionsfirmen die Krise nicht überstehen, dass Kinos eingehen.“
Der Landesmusikrat Berlin hat in der Musikszene rumgefragt: Fast 60 Prozent der Teilnehmer haben Soforthilfeprogramme in Anspruch genommen, knapp zwei Drittel empfanden die Hilfen als ausreichend. Sollte es bei den Einschränkungen bleiben, wären neun von zehn Musikern weiter auf Hilfsprogramme angewiesen.
Auch deswegen will Monika Grütters an einer „Exit-Strategie für den Kulturbereich“ feilen. Die anstehende Öffnung von Buchläden, Bibliotheken und Archiven wertet sie als „ersten Lichtblick“. Als nächsten Schritt strebe sie die Öffnung der Museen unter Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln an. „Durch Online-Tickets und Zeitfenster werden sich sicher auch hier gute Lösungen finden lassen“, sagte Grütters. Auch aus Sicht des Deutschen Museumsbundes könnten Museen da beispielhaft vorangehen. „Die Museen können bei dieser schrittweisen Wiederöffnung der Kultureinrichtungen eine Vorreiterrolle einnehmen.“
Der Kulturrat fürchtet indes, dass die Hilfspakete nicht ausreichen, „um den Kulturbereich über die Krise zu bringen“. Dort wird deswegen weiter ein nationaler Fond zur Förderung der Kulturinfrastruktur gefordert. „Wir brauchen eine funktionierende kulturelle Infrastruktur, damit auch in der Zukunft Aufträge an Künstler vergeben werden können und Kulturorte erhalten bleiben.“