Hexenverfolgung und Klimawandel : Der Winter der Welt
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Seelen in Erwartung des Feuers: Monica Anna Cammerlander (M.) als Mutter Moorhauptin bei Dreharbeiten des Films „Die Seelen im Feuer“ Anfang Oktober in Bamberg Bild: dpa
Im 17. Jahrhundert brannten mitten in Deutschland die Hexen und die Hexer. Die Geschichte vom Bischof, der zur Hetzjagd aufruft, ist von erstaunlicher Aktualität. Eine Erzählung vom Klimawandel.
Die Geschichte, von der hier berichtet werden soll, hat mit uns Zeitgenossen sehr viel zu tun - nicht obwohl seither fast vierhundert Jahre vergangen sind, sondern gerade deshalb: Man erkennt das ganze große Bild erst, wenn man es aus einem Abstand betrachtet; und damals, als die fürchterlichen Dinge geschahen, wäre niemand, auch nicht die Klügsten und die Besten, in der Lage gewesen, die Herkunft und die Ursachen des Wahns, der die Menschen ergriffen hatte, zu durchschauen.
Es war in den letzten Jahrzehnten des 16. und den ersten des 17. Jahrhunderts, als in Städten, Dörfern und Landschaften, die damals zu den frömmsten gehörten und die wir heute zu den schönsten zählen, als in Franken also und ganz besonders in den katholischen Fürstbistümern Würzburg und Bamberg die Menschen damit anfingen, einander der ungeheuerlichsten Verbrechen und Sauereien zu bezichtigen. Die Frau, die gerade noch eine beliebte Nachbarin gewesen war, wurde angeklagt, sie habe Unzucht mit dem Satan getrieben, aus Kinderleichen Hexensalbe gekocht, und nachts, wenn der Sturm blies, sei sie mit ihrem Besen durch die Lüfte geritten. Der Mann, der gestern noch ein geachteter Bürger gewesen war, wurde denunziert, er habe im Wald mit den Hexen getanzt, den Namen des Herrn verspottet und die Hostie geschändet. Wer angeklagt wurde, hatte kaum eine Chance, dem Todesurteil zu entgehen - und als die Herrschaft des Julius Echter von Mespelbrunn, Fürstbischof von Würzburg und Herzog in Franken, im September des Jahres 1617 mit dem Tod des Bischofs endete, waren mindestens neunhundert Hexen und Hexer auf den Scheiterhaufen seines Bistums verbrannt.
Überwältigende Schönheit
Dass hier aber vor allem von der Hexenjagd im Fürstbistum Bamberg die Rede sein soll, das hat, einerseits, damit zu tun, dass die Geschichte dort besser als anderswo dokumentiert ist. Die Schriftstellerin Sabine Weigand berichtet im Nachwort zu ihrem (trivial geschriebenen, aber superseriös recherchierten) Roman „Die Seelen im Feuer“, dass das Landgericht Bamberg im frühen 19. Jahrhundert die Archive entrümpelt und alte Akten als Anschürpapier versteigert habe. Ein Händler habe das Papier gekauft, ein Kunde, der historisch interessiert war, habe seine Nägel in einer Tüte aus Hexenakten verpackt gefunden und daraufhin den ganzen Stapel Papier gekauft. So kam es, dass, wenn schon nicht die Hexen, dann doch wenigstens die Hexenakten dem Feuer entgingen.
Andererseits hat es aber darin seinen Grund, dass jeder, der diese Stadt besucht, zumal wenn er aus den graueren und hässlicheren Ortschaften des Nordens kommt, erst einmal überwältigt ist von der Schönheit, von der ganzen Pracht. Der Dom, romanisch-gotisch, die Klöster und die Kirchen, die Residenzen und Paläste, die hübschen Wohnhäuser, bürgerlich-barock. Wenn es Gott gibt, dann hat er das genau so gewollt. Wenn nicht, dann sind Glaube und Gottesfurcht wenigstens dazu gut, solche Schönheit hervorzubringen. Man empfindet diesen Anblick, ob es einem passt oder nicht, als Kritik einer Gegenwart, die hässlicher und profaner ist. Und man stellt sich die Bewohner jener Epochen fast zwangsläufig als stimmigere Existenzen vor.
Kampf für ein paar deutliche Zeichen
Und das ist der nächste Grund, warum hier von Bamberg berichtet wird. Es ist nicht so, dass die weltliche und die kirchliche Obrigkeit die Massenmorde des frühen siebzehnten Jahrhunderts totschweigen wollten; soeben hat die Stadt Bamberg eine Bilanz der Hexenprozesse herausgegeben und eine kommentierte Fassung des Briefs, den der Bamberger Bürgermeister Johannes Junius aus dem Hexengefängnis schrieb: „So wird die gantze Burgerschafft verbrendt ...“