Das Schweigen Madonnas wird nicht überbewertet
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Madonnas „Diana und Endymion“ Bild: Mauritius
Die Stadt Amiens vermisst ein wertvolles Gemälde. Im Besitz der Popikone soll sich eines mit dem gleichen Sujet befinden. Aber ist es überhaupt dasselbe Gemälde?
Wirren des Ersten Weltkriegs: Im Frühjahr 1918 suchte das Deutsche Reich über Amiens hinweg bis an den Ärmelkanal vorzustoßen. Die mit dem Decknamen „Michael“ versehene Offensive blieb nach wenigen Wochen stecken, doch ein tagelanger Bombenhagel legte Teile der Hauptstadt der Picardie in Schutt und Asche. Auch das städtische Kunstmuseum, das erste in Frankreich, das (unter Napoleon III.) spezifisch als solches errichtet worden war, wurde getroffen. Ein Geschütz explodierte im nordwestlichen Pavillon, in dem fünfzehn großformatige Gemälde des neunzehnten Jahrhunderts hingen. Darunter „Diana und Endymion“ des David-Schülers Jérôme-Martin Langlois, eine langfristige Leihgabe des Louvre. Als sich sechs Jahrzehnte nach dem Ende des Ersten Weltkriegs ein Konservator für dieses Werk interessierte, war es unauffindbar. Die letzte Spur im Hausinventar reicht ins Jahr 1911 zurück. War das Bild dem Bombenangriff zum Opfer gefallen? War es schon zuvor aus der Sammlung des Louvre herausgelöst worden und auf undokumentierten Wegen in fremde Hände gelangt? Wurde es gar veruntreut?
2015 blätterte ein Konservator des Museums von Amiens eine Ausgabe der Illustrierten „Paris Match“ durch. In einem Beitrag über Madonna stach ihm ein Gemälde ins Auge, das im Treppenhaus eines Domizils der Popikone hing: „Diana und Endymion“. Wie sich herausstellte, hatte die kunstsinnige Sängerin das Werk 1989 bei einer Sotheby’s-Auktion in New York für 1,3 Millionen Dollar erworben. Daraufhin erstattete das Musée de Picardie Anzeige gegen unbekannt wegen Diebstahl – das Verfahren scheint nicht über diesen ersten Schritt hinausgekommen zu sein. Jüngst nun wandte sich die Bürgermeisterin von Amiens in einem Facebook-Video an Madonna mit der Bitte, sie möge das Bild doch 2028 ausleihen. Dann will die Stadt europäische Kulturhauptstadt sein, wofür Amiens – der Geburtsort von Präsident Macron – unlängst seine Kandidatur anmeldete.
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