Expertenrunde zu Hohenzollern : Alle einig gegen Preußen
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Der Chef des Hauses: Georg Friedrich von Preußen vertritt die Ansprüche der Hohenzollern gegenüber dem Bund. Bild: dpa
In einem Expertengespräch zu den Hohenzollern ergreift keiner der Teilnehmer für das Königshaus Partei. Zudem zeichnet sich ab, dass eine gerichtliche Klärung aller Ansprüche der Familie an den deutschen Staat immer wahrscheinlicher wird.
Für die Mitglieder der Hohenzollern-Familie dürfte das Expertengespräch der grünen Bundestagsfraktion am Mittwoch eine Qual gewesen sein. Drei Historiker und zwei Juristinnen waren eingeladen, ihre Einschätzungen zu den Entschädigungs- und Eigentumsansprüchen der Hohenzollern und ihres Hausvorstands Georg Friedrich Prinz von Preußen vorzutragen, und keiner der fünf nahm für das vormals regierende preußische Königshaus Partei.
Im Gegenteil, das Urteil der Runde war einhellig, ganz gleich, ob es juristisch oder historisch begründet war. Kronprinz Wilhelm von Preußen, der als Vertreter seines exilierten Vaters Wilhelm II. im Deutschland der zwanziger und dreißiger Jahre die politischen Geschäfte der Familie führte, habe dem Nationalsozialismus erheblichen Vorschub geleistet, befanden die Rechtswissenschaftlerinnen Marietta Auer (Frankfurt) und Sophie Schönberger (Düsseldorf) ebenso wie die Historiker Eckart Conze (Marburg) und Stephan Malinowski (Edinburgh) sowie die aus Princeton zugeschaltete Historikerin Karina Urbach.
Der Kronprinz hatte Mittel und Motiv
Nur der Schwerpunkt der Einlassungen war jeweils verschieden. Während die juristischen Expertinnen den Geist des Ausgleichsleistungsgesetzes von 1994 beschworen, dessen Unwürdigkeitsklausel jene Antragsteller von Entschädigungen ausschließe, „die keine unschuldigen Opfer der Geschichte waren“ (Sophie Schönberger), konzentrierten sich die Vertreter der Geschichtswissenschaft auf die Bewertung der Aktivitäten des Kronprinzen (der eigentlich seit der Abdankung seines Vaters im November 1918 ein Ex-Kronprinz war). Wilhelm, so Karina Urbach, habe „die Mittel, die Gelegenheit und das Motiv“ gehabt, den Aufstieg des Nationalsozialismus zu fördern, und seine Kontakte zu nationalen und internationalen Eliten dafür genutzt.
Als „Reklameprinz“ der republikfeindlichen Rechten, erklärte Stephan Malinowski, habe der Hohenzollern-Chef auf allen Ebenen für die Nazis geworben, bis hin zu Postkarten, auf denen er im Braunhemd mit Hakenkreuzbinde zu sehen war. Seine Aktivitäten in den letzten Jahren der Weimarer Republik und in der frühen Phase des Nazi-Regimes zeigten „das stetige Werben einer Signalfigur, in deren Namen das Charisma von Jahrhunderten gebündelt war“.
Moralische Bewertungen sind auszuhalten
Dabei ging es Wilhelm wie seinen Gesinnungsgenossen „stets um die Zerstörung der Demokratie“ ergänzte Eckart Conze. Dies sei auch für die rechtliche Beurteilung der Rolle des Kronprinzen entscheidend: „Wenn nicht das rechte Lager dem Nationalsozialismus Vorschub geleistet hat, wer dann?“ Die Brücke zwischen der historischen und der juristischen Sicht auf den Fall schlug die Max-Planck-Institutsdirektorin Marietta Auer. Die Zumutung, dass ein Regelwerk wie das Ausgleichsleistungsgesetz moralische Bewertungen geschichtlicher Vorgänge vornehme, sei „auszuhalten“, so Auer, denn etwas Ähnliches passiere auch beim gesetzlichen Verbot der Holocaust-Leugnung oder beim Lieferkettengesetz.
Ebenso einmütig bewertete das Expertengremium die Welle von Unterlassungsklagen der Hohenzollern-Anwälte gegen Historiker und Journalisten. Es gehe um Einschüchterung und um ein Ersticken der Debatte, erklärte Eckart Conze. Dabei sei die Auseinandersetzung mit der historischen Rolle der Hohenzollern in Zeiten von Reichsbürgern und Preußen-Nostalgie wichtiger denn je. Deshalb könne die Bundesregierung auch nicht länger hinter den Kulissen Ausgleichsverhandlungen mit der Familie führen: „Die Bedeutung der Thematik verbietet klandestine Gespräche.“
Nur wenig Chancen für eine Gesprächslösung
Interessant an der Anhörung, die nur zwei Wochen nach einer ganz ähnlichen Veranstaltung der Linken-Fraktion im Brandenburger Landtag stattfand, waren weniger die einzelnen Standpunkte als der Rahmen, in dem sie vorgetragen wurden. Die Grünen sind, wenn sich die politischen Gewichte im Bund nicht grundlegend verschieben, der designierte Juniorpartner einer künftigen Regierungskoalition. Erhard Grundl, ihr kulturpolitischer Sprecher, könnte eine wichtige Rolle in der Bundeskulturpolitik spielen.
Wenn Grundl, wie es am Ende der Anhörung geschah, nun erklärt, die Ausgleichsverhandlungen des Bundes mit der Hohenzollern-Familie müssten abgebrochen werden, da sie „eine schwere Hypothek für unsere Demokratie“ seien, dann ist damit klar, wohin die Reise unter einer schwarz-grünen Regierung gehen würde: zu einer gerichtlichen Klärung sämtlicher Ansprüche der Hohenzollern an den deutschen Staat.
Wie es um die Stimmung im Hause Preußen selbst bestellt ist, verrät eine Pressemitteilung, die ein Sprecher der Familie am Dienstag herausgegeben hat. Unter der Überschrift „Die falschen Geschichten einiger Historiker“ wird noch einmal der juristische Feldzug gegen die „unzulässigen“ und „unwahren“ Behauptungen und „Eindruckserweckungen“ prominenter Hohenzollern-Kritiker resümiert. Über Karina Urbach heißt es, sie habe auf ein Schreiben der Anwälte der Familie hin „wohlweislich“ eine Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben. In dem verächtlichen „wohlweislich“ offenbart sich die ganze Arroganz des Prinzen Georg Friedrich und seiner Getreuen, die nicht bereit zu sein scheinen, ihren Kritikern auf Augenhöhe zu begegnen. Stattdessen setzen sie offenbar weiter darauf, die Geheimverhandlungen mit dem Bund noch vor der Bundestagswahl im September zum Abschluss zu bringen. Dass das funktionieren wird, muss man bezweifeln.