
Energiekrise und Propaganda : Lügen über deutsche Bibliotheken
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Im Lesesaal der Sächsischen Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden Bild: dpa
Angeblich rufen Bibliotheken in Sachsen und Hamburg dazu auf, Bücher zu verheizen. Wer hat ein Interesse an solchen grotesken Lügen?
Dass es in Kriegen rasch der Wahrheit an den Kragen geht, ist bis zum Überdruss bekannt. Daran, dass dafür Trollarmeen in Marsch gesetzt werden, haben wir uns mittlerweile gewöhnt, selbst wenn wir das zunächst oft gar nicht mitbekommen. Weil diese Truppen aber auch in Zeiten durchs Internet marschieren, in denen kein einziger Schuss fällt, wird man sich fragen müssen, ob in den letzten Jahren an dieser Front eigentlich jemals Frieden herrschte oder ob all die Lügen und Manipulationen im Vorfeld von Präsidentenwahlen oder Volksabstimmungen nicht schon im Licht eines militärischen Kräftemessens gesehen werden müssen.
Entsetzen über die Lügen in den sozialen Medien
Nun, mitten im Krieg, schlägt der Deutsche Bibliotheksverband Alarm: Der Verein ist „entsetzt über die Verbreitung von Falschinformationen zum Umgang mit Büchern“ in zwei großen deutschen Einrichtungen. Demnach kursierte auf Internet-Plattformen wie TikTok, Telegram oder Twitter das Foto eines gefälschten Aushangs der Sächsischen Landesbibliothek Dresden unter der wunderlichen Überschrift „Schreibberatung“. Darin wird „aufgrund der voraussichtlichen Heizungskürzungen im Herbst und Winter“ um Bücherspenden gebeten, damit die Werke russischer Autoren „für die Heizung in der Bibliothek verwendet werden“ können – es bleibt der Phantasie der Fälscher überlassen, wie das in einem modernen Heizsystem genau geschehen soll.
Aber wer eine Verschwörung konstruiert, ist sowieso kaum an Details interessiert. Die unbekannten Fälscher jedenfalls entlarven ihr Machwerk spätestens mit dem zweiten Satz: „Russische Literatur hat in Ihrem Bücherregal nichts zu suchen“, schreiben sie. Wer sich ein einziges Mal in einer öffentlichen Bibliothek umsieht, gerade jetzt, der wird überall auf Angebote stoßen, die sich gezielt an Menschen richten, deren Muttersprache eine andere als Deutsch ist. In den Hamburger Bücherhallen etwa, auch sie betroffen von einem gefälschten Plakat, das zur Abgabe von Büchern zu Heizzwecken aufruft, ist in der Fremdsprachenabteilung die russische Literatur am zweithäufigsten vertreten – gleich nach der englischen.
Wer in eine Gemeinschaft hineinwirken möchte, muss deren Sprache sprechen. Und wer diese Bemühungen der Bibliotheken um die Russen in Deutschland mit größtem Argwohn sieht, weil damit die eigene Propaganda hinterfragt werden könnte, der wird alles tun, um das Vertrauen in die Bibliotheken zu unterminieren. Frauke Untiedt, die Leiterin der Bücherhallen, will nun die Warnung vor dem gefälschten Plakat noch einmal verbreiten – auf Russisch.